November 2010: Drei Männer stehen vor der Haustür von IV-Rentner Peter Gubler. Sie geben an, Marihuana kaufen zu wollen – am Schluss ist der 53-Jährige tot. Das Opfer wird überwältigt, gefesselt und stirbt qualvoll an einer Jackenkapuze in seinem Mund. Seine Tötung wird zurzeit im Fall Kümmertshausen verhandelt, dem grössten Strafprozess, den der Thurgau je gesehen hat.
Der schweigende Polizei-Informant
Yilmaz B.* (39), der wichtigste Zeuge der Staatsanwaltschaft, schiebt die Schuld am Tod des Mannes seinen Mitstreitern Nurullah D.* und Serkan D.* zu. Die beiden sitzen in der Türkei in U-Haft und können ihre Version der Geschichte den Richtern nicht selbst präsentieren. B. bestreitet zwar nicht, zur Tatzeit vor Ort gewesen zu sein, fühlt sich für Gublers Tod aber nicht verantwortlich: «Ich habe mit dieser Angelegenheit nichts zu tun.»
Er nannte sich Ali Kajak
Die Rolle des kurdischen Asylsuchenden Yilmaz B. ist äusserst undurchsichtig. Umso mehr, als er sich in seinem Lebenslauf gar als Informant der Kantonspolizei St. Gallen ausgibt! Für die Zeit von 2009 bis 2012 will er sich für die Behörde im kriminellen Milieu bewegt haben. Thomas K.*, sein Kontaktmann bei der Kripo, bestätigt dessen Einsatz in einer Befragung im Jahr 2012: «Durch das Untersuchungsamt bekamen wir den Hinweis, dass Herr B. gerne Infos an uns, die Kapo, weitergeben möchte.» Fortan tauschten sie sich in unregelmässigen Abständen aus. Der Polizist dazu: «B. hiess Ali Kajak. Wir haben immer nur Ali gesagt. Ich hiess Daniel.»
B. soll nur heisse Luft geliefert haben
15 Kontakte sollen zwischen den beiden stattgefunden haben. B. hat mutmassliche Tipps aus dem Umfeld der Kümmertshausen-Bande geliefert. Nach Angaben der Polizei liess sich aber praktisch nichts davon wirklich erhärten. Brisant: Yilmaz B. spitzelte nach der Tötung von Peter Gubler noch über ein Jahr weiter. Er lieferte aber nie auch nur den kleinsten Hinweis auf die flüchtigen Täter, die ihm bestens bekannt sein mussten! Nur weil an der Leiche Gublers DNA-Spuren von Mittäter Nurullah D. gefunden wurden, kam der Fall ins Rollen.
Das bizarre Schweigen des Yilmaz B.
Weshalb schwieg Yilmaz B.? «Ich hatte Angst. Mir fehlte der Mut, und ich hatte kein Vertrauen», sagt der Kronzeuge vor Gericht. Sein Kontaktmann habe ihn nicht bestärkt, sondern in ihm die Befürchtung geweckt, als Schuldiger dastehen zu können. «Ich befürchtete, genau in der Situation zu landen, in der ich jetzt bin.»
Unklar bleibt, ob Yilmaz B. für seine Spitzeltätigkeiten finanziell entschädigt wurde und ob diese einen Einfluss auf seinen Asylstatus hatten.
* Namen der Redaktion bekannt