Krieg am Everest
Art Furrer: «Stecks Ego-Trip war eine Provokation»

Der Streit zwischen Bergsteigern und Sherpas am Mount Everest löst Kritik aus. Bergsteiger-Legende Art Furrer wirft Ueli Steck Provokation und Egoismus vor.
Publiziert: 05.05.2013 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 19:11 Uhr
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Camp beim Mount Everest.
Foto: Jonathan Griffith
Von Walter Hauser und Sarah Weber

Rund hundert Sherpas griffen vergangene Woche am Mount Everest den Schweizer Bergsteiger Ueli Steck (36) aus Ringgenberg BE und seine Begleiter an. Das löste weltweit Empörung aus.

Nun wird Kritik an Stecks Verhalten auch in der Schweiz laut. Art Furrer (76), der legendäre Walliser Skilehrer, Bergführer und Hotelier, sagt: «Ich habe Respekt vor Ueli Stecks Leistung. Aber es wundert mich nicht, dass er am Everest den Zorn der Sherpas auf sich zog. Diese sehen den Everest als ihren Besitz und leben davon.»

Furrer moniert, dass Steck sich nicht an die Regeln gehalten habe. «Das Ganze ist ein touristisches Unternehmen. Steck legt jedoch seine eigenen Regeln fest, wie er den Everest bezwingen will. Statt Bergsteigen macht er Bergrennen. Das empfinden die Einheimischen als Provokation. Sie sind in ihrem Stolz verletzt.»

Steck wäre gut beraten, wenn er sein Ego zurückstellen würde», so Furrer weiter. Der Walliser beruft sich auf eigene Erfahrungen: «Im Wallis hatten wir früher auch grosse Bergsteiger, die gewissermassen die Herren, die Könige der Berge waren. Die waren auch frustriert, wenn auswärtige Bergsteiger sich in den Vordergrund drängten.»

Nord- statt Südflanke benutzen

Der Bünder Extrem-Alpinist Norbert Joos (52), der sich in Himalaya bestens auskennt, versteht nicht, «weshalb Steck für seine Experimente die von Tausenden begangene Südflanke des Everest benützt.

Dort muss man sich an bestimmte Regeln halten. Steck sollte die Ost- oder Nordflanke nutzen, wo er fast allein unterwegs wäre.» Für den Angriff der Sherpas hat er gleichwohl kein Verständnis: «Wir gehen in der Schweiz doch auch nicht auf unsere Gäste los.»

Was wirklich in Tausenden Metern Höhe geschah, ist immer noch nicht ganz klar. Steck und seine Begleiter, der Italiener Simone Moro (45) und der Brite Jonathan Griffith (29), berichteten, dass nach einer Auseinandersetzung am Berg rund 100 Sherpas sie hätten töten wollen.

Steck bekam einen Stein an den Kopf, Moro Fusstritte ins Gesicht. Dann hätten die Sherpas sie fortgejagt. Begründung: Obwohl sie da-rum gebeten hätten, ein Gebiet zu meiden, in dem sie Sicherheitsseile austauschten, überstieg Stecks Team die Sherpa-Absperrung – angeblich um zu den Zelten zu kommen.

Die Scherpas beschimpft?

Nun tauchen Hinweise auf, dass Stecks Team durch Beschimpfungen auf Nepalesisch und Englisch die Situation noch angeheizt haben könnten. In einem Blog kritisiert Garrett Madison, ein US-Alpinist vor Ort, dass die Sherpas in der Berichterstattung keine Stimme erhalten hätten.

Nach seiner Darstellung fand einige Tage vor dem Vorfall am 27. April ein Treffen von Expeditionsleitern und Chef-Sherpas statt. Sie bestimmten die Route, welche die Sherpas mit Fixseilen sichern sollten, und machten angeblich ab, dass während der gefährlichen Arbeit keine Expeditionen dort unterwegs sein sollten.

An diesem Treffen war laut Madison allerdings niemand aus Stecks Team dabei. So wählten der Schweizer und seine Begleiter prompt diese Route. «Die Sherpas sprachen mit den drei Bergsteigern und baten sie, ihre Seile nicht anzutasten oder zu übersteigen», schreibt Madison. Daraufhin soll der Italiener Moro laut geworden sein.

Er habe auf Nepalesisch «provozierende» Ausdrücke gebrüllt. Die Sherpas seien danach in das darunterliegende Camp 2 abgestiegen. Madison weiter: «Simone funkte über eine offene Frequenz ins Camp und sagte, wenn die Sherpas ein Problem hätten, käme er runter, um ‹verdammt noch mal zu kämpfen›.» Viele Sherpas hörten mit.

Unbeteiligter mischte sich ein

Als die drei ins Camp kamen, baten Kollegen sie, sich zu entschuldigen. Auch die Sherpas forderten eine Entschuldigung für die «Beleidigungen», schreibt Madison. Als ein unbeteiligter Bergsteiger sich einmischte und handgreiflich wurde, eskalierte die Lage. Offenbar hielten die Sherpas ihn für ein Mitglied von Stecks Team. Bergsteiger und Sherpas beendeten schliesslich die Gewalt. Steck, Moro und Griffith flohen.

Am 29. April 2013 kam es zu einer Aussprache. Steck beendete seine Expedition trotzdem. «Für mich ist ein grosser Traum geplatzt», sagte er danach. 

Ueli Steck selbst war gestern für eine Stellungnahme nicht erreichbar.

Die Last der Sherpas im Himalaya

Expeditionen zum Mount Everest (8848 m ü. M.), dem höchsten Berg der Welt, locken unzählige Touristen. Seit der Erstbesteigung (1953) stieg die Zahl der Bergsteiger auf mehrere Hundert pro Jahr. Die meisten Gipfelstürmer erreichen ihr Ziel nur, weil sie sich von einheimischen Sherpas Hilfe erkaufen. Diese tragen für sie Zelte, Essen und Ausrüstung. So kommen viele für nepalesische Verhältnisse zu einem guten Einkommen. Der Himalaya-Tourismus ist auch für den Staat eine wichtige Einnahmequelle. Doch nimmt wegen der vielen Expeditionen auch die Umweltverschmutzung zu: etwa durch Sauerstoffflaschen, Medikamente und Abfall. 

Expeditionen zum Mount Everest (8848 m ü. M.), dem höchsten Berg der Welt, locken unzählige Touristen. Seit der Erstbesteigung (1953) stieg die Zahl der Bergsteiger auf mehrere Hundert pro Jahr. Die meisten Gipfelstürmer erreichen ihr Ziel nur, weil sie sich von einheimischen Sherpas Hilfe erkaufen. Diese tragen für sie Zelte, Essen und Ausrüstung. So kommen viele für nepalesische Verhältnisse zu einem guten Einkommen. Der Himalaya-Tourismus ist auch für den Staat eine wichtige Einnahmequelle. Doch nimmt wegen der vielen Expeditionen auch die Umweltverschmutzung zu: etwa durch Sauerstoffflaschen, Medikamente und Abfall. 

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