«Komplexes Lawinenproblem»
Herzstück von Skigebiet Andermatt-Sedrun offenbar lawinengefährdet

Es ist ein gefährlicher Berg in Andermatt-Sedrun, der die neue gemeinsame Skiarena verbindet. Experten warnten schon in der Planungsphase vor dem Lawinenrisiko im hochalpinen Gelände, das schwierig zu sichern ist.
Publiziert: 29.12.2019 um 10:53 Uhr
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Am Schneehüenerstock in der Skiarena Andermatt-Sedrun kam es am Stephanstag fast zur Katastrophe.
Foto: Keystone

Beim Bau des Skigebiets Andermatt-Sedrun mussten offenbar mehrere Anlagen wegen Lawinengefahr gekürzt werden. Dennoch kam es am 26. Dezember, mitten in den Weihnachtsferien, beinahe zur Katastrophe. Kurz vor 11 Uhr löste sich eine Gleitschneelawine auf einer zum ersten Mal geöffneten Piste. Sechs Menschen wurden verschüttet, vier konnten sich aus eigener Kraft retten. Zwei mussten mit leichten Verletzungen ins Spital.

Die Piste bildet das Herzstück der neuen Skiarena und verbindet die Kantone Uri und Graubünden. Die Polizei hat ein Verfahren eingeleitet. Wie die «SonntagsZeitung» berichtet, hatten die Betreiber der Skiarena ihre ersten Pläne für den Bau neuer Anlagen und Pisten vom Institut für Schnee- und Lawinenforschung (SLF) prüfen lassen. Während die Betreiber optimistisch waren, dass in dem Gebiet keine ernsthafte Lawinengefahr herrsche, beschrieb SLF-Bauingenieur Mark Schaer 2017 seine Einschätzung im Forschungsmagazin «Diagonal» wie folgt: «Unsere Gutachten zeigten aber ein komplexes Lawinenproblem.»

Schaer verwendete für seine Analyse eine Software, die Lawinenabgänge am vorher nur Skitourengängern bekannten Gebiet am Schneehüenerstock simulieren kann. Bei sechs der acht vorgesehenen Standorte für Bahnstationen erachtete er die Gefahr sogar als so gross, «dass ein Lawinenschutz mit vertretbarem Aufwand nicht möglich gewesen wäre und deshalb neue Standorte gesucht werden mussten». Zwei Anlagen wurden wegen der Lawinengefahr sogar um mehrere Hundert Meter verkürzt.

Bund gab grünes Licht

Im September vor einem Jahr hiess das Bundesamt für Verkehr das Lawinenschutzkonzept für den «Schneehüener-Express» und die Piste «Hinter Felli» gut, wie die «NZZ am Sonntag» berichtet. Eröffnet wurde das Herzstück der neuen Arena am 14. Dezember 2018. Letzten Winter inspizierten zudem die Experten von Seilbahnen Schweiz das Gebiet und vergaben das Gütesiegel «geprüfte Pisten», wie die Zeitung berichtet.

Dies, obschon die am Stephanstag verschüttete Piste schon früher als Gefahr ausgemacht worden war und an diesem Tag erhebliche Lawinengefahr herrschte. Wegen der vielen Steine am Schneehüenerstock können die Pisten auch nur öffnen, wenn viel Schnee liegt. Viel Schnee bedeutet wiederum auch grössere Lawinengefahr. Pia Tresch von Pro Natura des Kantons Uri zur Zeitung: «In dieser hochalpinen Lage ist die nötige Sicherheit für den Betrieb eines Skigebiets fast immer eine Gratwanderung.»

Option Lawinenverbauung

Wegen der vielen Anrissgebiete, bestätigt Schaer, sei auch deren Sicherung schwierig – etwa durch Lawinensprengungen. Meistens bleibe nur eine komplette Sperre. Alternativ können Skifahrer daher mit der Gondelbahn ins Tal befördert werden. Schaer betont laut der «SonntagsZeitung» jedoch, dass die Betreiber der Skiarena in ihrer Planung «vorbildlich» gehandelt und das SLF schon früh einbezogen hätten.

Als zusätzliche Sicherheitsmassnahme erwägen die Betreiber Lawinenverbauungen, so Stefan Kern, Sprecher der Andermatt Swiss Alps AG, zur «NZZ am Sonntag». Man habe schon zahlreiche Sprengungen getätigt. Kommerziellen Druck, Pisten zu öffnen, gebe es keinen. Zunächst warte man nun aber den Untersu­chungsbericht der Kantonspolizei Uri ab. «Hinter Felli» bleibt bis auf Weiteres geschlossen. (kes)

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