Karl Locher (55) führt die Appenzeller Familienbrauerei in fünfter Generation. Wichtiger als Gewinn ist Innovation.
Er erfindet das Bier immer wieder neu

Die Brauerei ist ein Familienunternehmen und wird in fünfter Generation geführt. Sie exportiert in über 13 Länder und ist eine wahre Goldgrube.
Publiziert: 12.07.2015 um 19:51 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 16:51 Uhr
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Karl Locher: «Wir haben Geschichte und denken langfristig.»
Foto: PHILIPPE ROSSIER
Von Sabine Klapper (Text) und Philippe Rossier (Fotos)

Schweizerischer kann die Schweiz kaum sein als im malerischen Appenzell. Idylle pur. Die schmucke alte Brauerei Locher am Brauereiplatz 1 könnte in einem Freilichtmuseum stehen. Hier wird das Appenzeller Bier gebraut − mit Quellwasser aus dem Alpstein. Verkaufsschlager ist das «Quöllfrisch» in verschiedenen Variationen.

Schmale, knarrende Treppenstufen führen ins gemütliche Büro von Karl Locher (55), Mitinhaber seit 1989. Er leitet das Familienunternehmen, das sein Ururgrossvater Johann Christoph Locher 1886 erwarb, in fünfter Generation.

Unzählige aktuelle und historische Biersorten sind in den alten Holzschränken wie Trophäen aufgereiht. Die Motive auf den Etiketten sind mehrheitlich traditionelle Bauernmalereien, die für die bodenständigen Werte von Appenzeller Bier stehen.

Dabei sind die Biere der Brauerei Locher alles andere als verstaubt. Die Kreationen sind durchwegs innovativ. Hier wurde das naturtrübe Bier erfunden, hier entstanden das biologische Vollmond-, das Kastanien-, Holzfass-, Glüh-, Hanf- oder Reisbier. Vielfalt ist das Erfolgsrezept der Brauerei.

Die Lochers exportieren ihre Biere in über 13 Länder, unter anderem nach Asien und in die USA. Über die Jahre sind die Biere schweizerischer geworden. Bis 1992 kamen die Zutaten wie Hopfen und Malz aus dem Ausland. Mittlerweile arbeitet Locher mit 40 Schweizer Bauern zusammen, die in höheren Lagen (1100–1400 m ü. M.) Gerste anbauen. 2011 wurde sein Projekt mit dem Prix Montagne der Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete und der Schweizer Berghilfe ausgezeichnet.

Die Qualität der Gerste aus der Höhe ist wegen des trockenen Klimas und des fehlenden sogenannten Schädlingsdrucks erheblich besser im Vergleich zu Getreide, das auf Meereshöhe angebaut wird. Doch Qualität kostet: Der Rohstoff aus den Schweizer Bergen ist viermal teurer als jener aus dem Ausland. Dennoch hebt sich der Verkaufspreis nicht von der Konkurrenz ab.

«Gewinn ist nicht unser Fokus», sagt Locher über seine tiefen Margen, «wir haben eine Geschichte und denken langfristig. Kurzfristiger Erfolg passt nicht zu unserer Firmenkultur.»

Dennoch ist die stetig wachsende Brauerei eine Goldgrube. Die Produktion hat sich in den letzten 20 Jahren verzehnfacht. Im Braujahr 2013/2014 produzierte Locher, der die ganze Schweiz beliefert, 160 000 Hektoliter Bier. Das sind 4,5 Prozent der schweizerischen Gesamtproduktion.

Es gibt keine Marketingabteilung im Betrieb mit 90 Mitarbeitern, dafür sieben Braumeister. Die beste Werbung seien Originalität und Qualität des Bieres, so Locher. «Qualität ist gefragt, insbesondere in Asien.»

Entscheidendes Verkaufsargument sei zudem der Standort Schweiz. «Die Schweiz steht für Sicherheit, Sauberkeit, geregelte Abläufe», sagt Karl Locher. Er nennt auch Pingeligkeit als eine typische schweizerische Eigenschaft, der er nicht nur Positives abgewinnt.

Die Bürokratisierung habe in der Schweiz zugenommen. Damit verbunden sei ein immer grösser werdender administrativer Aufwand, der ihm wertvolle Ressourcen raube. «Es kommt mir vor, als wollten wir uns selbst piesacken. Als Geschäftsführer eines KMU bleibt mir leider keine Zeit mehr, um selber Politik zu machen», sagt Karl Locher.

Die neue Swissness-Regelung des Bundesrates, welche Marken und Produkte «Made in Switzerland» schützen soll, hätte beim Bier fast ein Desaster ausgelöst. Die Landesregierung wollte das inländische Trinkwasser nicht als Schweizer Rohstoff anrechnen. Damit hätten Schweizer Bierbrauereien jeglichen Anspruch auf das Prädikat Swiss Made verloren. Der Passus ist unterdessen entschärft worden. Karl Locher schüttelt den Kopf über das politische Hin und Her. «Wo bleibt hier der gesunde Menschenverstand?»

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