Sie haben ihr einziges Kind verloren. Gabriela (48) und Armin (60) Abt aus Reinach AG trauern um ihr Liebstes. Ihr Sohn Raphael wurde gerade mal 16 Jahre alt. Er starb, als er auf einen Bahnwaggon kletterte.
«Wir waren am Schlafen, da klingelte es um 1.30 Uhr», erzählt Armin Abt. Zwei Polizisten überbringen die Todesnachricht. «Es gibt keine schlimmere Nachricht für Eltern», sagt Gabriela Abt. «Raffi war unser Wunschkind und Sonnenschein. Und jetzt ist er tot. Furchtbar. Es zerreisst mir das Herz.»
Am Freitagmorgen geht Raffi zur Schule, in die Kanti in Aarau. Sein Vater: «Ich umarmte ihn. Das war ein Ritual bei uns. Im Nachhinein bin ich sehr froh, dass wir das immer gemacht haben.»
Euphorisch wegen Praktikum
Raffi hat einen guten Tag, kommt gegen Abend heim. «Er war fröhlich. Er hatte eine gute Note bei einer Prüfung», so seine Mutter. «Und Raffi hatte erfahren, dass er sich bald für eine Praktikumsstelle vorstellen kann.»
Der Kantischüler geht in sein Zimmer, übt wie jeden Tag auf einer seiner E-Gitarren. «Er spielte, seit er sechs Jahre alt war», sagt der Vater. Raffis grosses Idol ist Slash von der Rock-Band Guns N’ Roses. «Sein Traum war es immer, Profi-Musiker zu werden.»
Um 19.30 Uhr ruft Raffi seinen Vater aufs Handy an, der ist noch im Auto unterwegs. «Er hat gefragt, ob es okay sei, wenn er zu einem Kumpel gehe», so Armin Abt. «Ich sagte, das sei kein Problem, er solle auf sich aufpassen.»
Auf dem Weg in den Ausgang
Was dann passiert, hören die Eltern später von der Polizei und von Raffis Kollegen. «Sie wollten in den Ausgang nach Aarau», weiss Armin Abt. «Als sie beim Bahnhof Hunzenschwil auf den Zug warteten, muss Raffi wegen all diesen positiven Nachrichten wohl euphorisch geworden sein.»
Er vermutet, dass sein Sohn «aus Freude auf einen stehenden Waggon gestiegen ist. Wie einer, der auf einem Berggipfel jubeln will.»
«Natürlich war es leichtsinnig von Raffi, da raufzusteigen. Doch er wusste offensichtlich nicht, dass es eine tödliche Gefahr ist, wenn man nur schon in die Nähe einer solchen 16 000-Volt-Stromleitung geht.» Der Vater wischt sich eine Träne weg.
Vater macht sich Vorwürfe
«Wissen Sie, ich mache mir Vorwürfe. Ich habe als Naturwissenschaftler oft mit Raffi über solche Sachen geredet. Doch über diese konkrete Gefahr nicht.»
Raffi wird um 22.30 Uhr vom Stromschlag der Fahrleitung getroffen. «Er erlitt schwere Verbrennungen», sagt Armin Abt.
Raffi ist auf der Stelle tot. «Er fehlt überall», so der Vater. «Wir möchten andere Eltern warnen. Sie sollen ihre Kinder auf die Gefahr aufmerksam machen. Wenn damit nur ein Unfall vermieden werden kann, dann ist unser Raffi nicht umsonst gestorben.»