Justiz-Wandel
Bundesrichter lobt härtere Gangart gegen Kriminelle

Vergeltung und Sühne sind nach Ansicht des abtretenden Bundesrichters Hans Mathys in der Schweizer Justiz über Jahre zu kurz gekommen. In jüngster Zeit hat sich das Blatt laut Mathys aber gewendet - im Einklang mit Volksentscheiden, die eine härtere Gangart forderten.
Publiziert: 22.12.2014 um 07:27 Uhr
|
Aktualisiert: 30.09.2018 um 21:04 Uhr
SVP-Bundesrichter Hans Mathys: Tritt Ende Jahr ab (Archiv)
Foto: Keystone

Der Mord einer 20-jährigen Pfadiführerin 1993 am Zollikerberg gilt als Wendepunkt in der Schweizer Justiz. Während eines Hafturlaubs überfällt der verurteilte und verwahrte Sexualstraftäter in einem Waldstück die junge Frau, versucht sie zu vergewaltigen und schneidet ihr schliesslich die Kehle durch.

Während die Menschen schon immer der Meinung gewesen seien, dass das Strafrecht «eine gewisse Härte gegenüber dem Täter» aufweisen müsse, habe die Tat die akademische Welt aufgerüttelt. Das sagt Bundesrichter Hans Mathys in einem Interview mit der «NZZ». Nachdem sie sich lange darauf konzentrierte, den Täter wieder auf den richtigen Weg zu führen, würden die Richter heute  wieder höhere Strafen verhängen. Mathys bezeichnet dies als «Wandel zum Besseren».

Mathys präsidiert am Bundesgericht die Strafrechtliche Abteilung und tritt auf Ende Jahr aus Altersgründen ab. Er wurde 2006 ans höchste Gericht gewählt an und gehört der SVP an.

«Wir können Kriminelle nicht einfach wegsperren»

Zur Annahme von Volksbegehren wie den Verwahrungs- und Unverjährbarkeitsinitiativen oder dem Berufsverbot für Pädokriminelle sagt Mathys: «Der Ruf nach Härte ist eine Reaktion darauf, dass der Richter und Psychiater gegenüber den Tätern lange Zeit sehr viel Verständnis zeigten und gefährliche Kriminelle kaum je verwahrten.» Die Bevölkerung wolle diesen Kurs nicht mehr.

Mathys warnt allerdings auch vor zu hohen Erwartungen an den Staat, umfassende Sicherheit und Schutz zu garantieren. «Wir können Kriminelle nicht einfach wegsperren, nur weil man fürchtet, sie könnten dereinst rückfällig werden.»

Kritik am Strassburger Gerichtshof

Mathys äusserte sich auch zum Verhältnis der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Bundesverfassung: «Sie stehen auf derselben Stufe und enthalten praktisch dieselben Inhalte.» Bei Widersprüchen zur EMRK ist seiner Meinung nach die Verfassungsbestimmung «dennoch anzuwenden».

Bei Kollisionen müsste aber eigentlich die Politik entscheiden, wie vorzugehen wäre, sagte Mathys. «Die Schwierigkeit liegt ja aber nicht bei der EMRK selber, sondern beim Strassburger Gerichthof.» Dieser führe sich immer mehr als Erstinstanz auf, würdige den Sachverhalt von Fällen frei, was zu «stossenden Urteilen» führe.

Über eine Initiative plant die SVP derzeit festzulegen, dass die Bundesverfassung dem Völkerrecht wie der EMRK vorgeht - und damit Volksentscheide auch bei Kollisionen mit Menschenrechten angewandt werden müssten. (SDA/lha)

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?