Die Luzerner Polizei steht in der Kritik, sie habe in Malters LU falsch gehandelt. Als sie bei einer Razzia das Haus eines Hanf-Dealers (46) stürmte, erschoss sich dessen Mutter († 65). Jetzt redet im BLICK ein Polizist, der anonym bleiben will. Der 51-Jährige arbeitet in einem anderen Kanton und ist schon rund 30 Jahre im Dienst. Er hat derart schwierige Elite-Einsätze selber erlebt. Er spricht offen über seinen Job – und über den Einsatz seiner Berufskollegen in Malters.
BLICK: Hat sich der Polizeiberuf verändert, seit Sie dabei sind?
Polizist: Sehr. Nicht nur wegen der Amok- und Terrorgefahr. Die Gesellschaft ist im Umbruch. Es wird gefährlicher an der Front. Man muss immer damit rechnen, dass man nicht mehr lebend heimkommt.
So schlimm?
Leider. Es gibt immer mehr Leute, die nichts zu verlieren haben und jederzeit eine Waffe zücken würden – oder es wirklich tun.
Haben Sie das auch schon erlebt?
Ja. Vor allem bei Einsätzen an Anlässen oder im Ausgang.
Wo sonst noch?
Es gibt auch immer mehr psychisch Kranke oder solche, die Beziehungs- oder Jobprobleme haben. Wir wissen nie, was uns erwartet.
Sind Sie gut ausgerüstet?
Unsere lebensnotwendigen Körperteile sind bei grösseren Einsätzen geschützt. Doch ein Restrisiko bleibt immer. Manchmal passiert Unerwartetes. Wenn sich Einsatzsituationen ändern, müssen sie jeweils neu beurteilt werden.
Was ist besonders wichtig?
Respekt. Man darf aber keine Angst haben, muss jederzeit hellwach sein. Vor allem, wenn Schusswaffen im Spiel sind.
Wie in Malters.
Ja. Es ist schade, dass die Polizei so scharf kritisiert wird.
Handelten Ihre Kollegen korrekt?
Sie haben dort sicher alles mit Experten abgeklärt und in Betracht gezogen. Es sind Profis.
Die 65-Jährige war psychisch krank.
Sie hatte ja schon zwei Mal geschossen und somit bereits eine gewisse Grenze überschritten. Es gilt in einem solchen Moment, das Leben von allen zu schützen.
Hätte man nicht abwarten sollen?
Nein. Irgendwann ist der Punkt da, wo man einschreiten muss. Dass sie sich erschossen hat, ist nicht die Schuld der Polizei.
Die Beamten schossen nicht.
Man rückt erst einmal vor. Dann hätten sie vermutlich zuerst einen Taser eingesetzt. Vielleicht war nicht klar, ob noch mehr Leute im Haus sind.
Offenbar wurde keine Blendgranate in die Wohnung geworfen, um die Frau handlungsunfähig zu machen.
Die Polizei zündete draussen zur Ablenkung eine Granate. Wohl um zu sehen, in welchem Raum die Frau ist, wenn sie wegen des Knalls rausschaut.
Aber eine Blendgranate in den Raum zu werfen, hätte allenfalls ihren Suizid verhindern können.
Ja, vielleicht wäre sie so nicht dazu gekommen, sich zu töten.
Aber?
Ich denke, dass ein Blendgranateneinsatz besprochen wurde. Aber es war wohl wegen der räumlichen Aufteilung nicht möglich, näher ranzukommen. Irgendwann hätte sie es ja bemerkt – und blind geschossen.
Was ist in einer solchen Situation das oberste Ziel eines Polizisten?
Leben retten. Wenn nötig gibt man dafür auch sein eigenes her.