«Kürzlich wurde ich um 2 Uhr geweckt, weil eine Frau seit zwei Wochen ein Bibeli hinter dem Ohr hatte. Sie fragte, ob ich das jetzt anschauen könne.» In solchen Situation kommen beim Walliser Hausarztes schon mal Hassgefühle auf. «Die Spinnen doch, wegen solch haarsträubenden Sachen mitten in der Nacht anzurufen», sagt er. Das Beispiel ist längst kein Einzelfall, sondern Alltag. Dies deckt eine kürzlich publizierte Studie des Berner Inselspitals auf, in welcher Haus-, Spital- und Notfallärzte ausführlich befragt wurden. Resultat: Jeder siebte Arzt nervt sich über seine Patienten, die ihn wegen jedem «Bobo» belästigen.
Warum die Mediziner zunehmend einen Hass auf ihre Patienten entwickeln, zeigen die Ausssagen weitere befragter Ärzte in aller Deutlichkeit auf. Vier Beispiele:
• «Es kommen sogar Leute zu mir, die nur Zahn- oder Kopfschmerzen haben.»
• «Ich wurde um Mitternacht zu einer Patientin gerufen, der es angeblich ganz schlecht gehe. Ich rohrte mit dem Auto hin, komme an und sehe die 60-jährige Frau seelenruhig auf dem Sofa sitzen. Ihr war unwohl, weil sie ein paar Tage nichts gegessen hatte.»
• «Am meisten geht mir die enorme Anforderungshaltung der Patienten auf den Wecker. Die kommen mit einer Diagnose, die sie aus dem Internet runtergeladen haben. Mit dabei eine Liste aller Medikamente, die sie wünschen.»
• «Genervt bin ich vor allem, wenn Patienten um Mitternacht in den Notfall kommen, nur um ein Zeugnis zu erhalten, damit sie nicht arbeiten müssen.»
«Diese Aussagen wundern mich gar nicht, sagt der Tessiner Krebsarzt und ehemalige SP-Nationalrat Franco Cavalli (65). Den Grund dafür sieht er im Mangel an Hausärzten auf dem Land. «Diese Situation führt zu hohen Belastungen. Da muss man sich nicht wundern, wenn Ärzte schnell genervt und unfreundlich sind.»
Noch dramatischer ist die Situation der Assistenzärzte in den Spitälern. Weil dort die Arbeitszeiten die Zumutbarkeit längst überschritten haben, entwickelt bereits jeder fünfte eine Patientenaversion. Dies ergab eine breit angelegte Untersuchung in den Kantonen Basel-Land und Basel-Stadt vor acht Jahren. Arbeitspsychologe Eberhard Ulich, der die Studie mitverantwortete: «Ich arbeite gerade an einer neuen Studie zu diesem Thema und kann sagen, dass diese Zahlen keineswegs überholt sind.» Wie häufig Patienten unnötigerweise zum Arzt rennen oder ihn gar nachts aus dem Bett klingeln, zeigt eine britische Studie aus dem Jahre 1998. Die Allgemeinpraktiker erachten 40 Prozent ihrer Patientenkontakte als nicht dringlich oder gar unnötig.
Der Hass, besonders von Haus- und Notfallärzten, hat aber auch mit der Erwartungshaltung der Hilfesuchenden zu tun. Jeder zweite hat zu grosse Ansprüche, finden die Ärzte. Sicher ist: die Aversion gegen die Patienten wird auch deshalb in Zukunft eher zunehmen, prognostiziert Paul Günter, ehemaliger Chefarzt des Spitals Interlaken BE. «Die Leute sind zudem immer häufiger nachts unterwegs. Das führt zur Erwartungshaltung, dass auch Allgemeinpraktiker eine medizinischen Versorgung rund um die Uhr zu bieten haben.», sagt der ehemalige SP-Nationalrat.
Die Auswüchse dieser Haltung widerspiegelt die Erfahrung vieler Notfallärzte. Viele Patienten warten nicht einmal mehr auf einen Hausarzt-Termin. Stattdessen tauchen sie in den Notfallstationen auf. «Das nervt dann schon sehr», sagt ein betroffener Arzt in der Studie. In solchen Momenten fühlen sich die Mediziner einfach nur ausgenützt.
Viele nervende Patienten, eine grosse Verantwortung und lange Arbeitszeiten. Das macht die Ärzte in der Schweizer zunehmend krank. Jeder dritte zeige Anzeichen von Burnout-Symptomen (siehe Box), sagt Experte Michael Peltenburg (60). Gemäss der Berner Studie befinden sich bereits 14 Prozent in einem kritischen Zustand. Peltenburg: «Diese Ärzte brauchen dringend Hilfe.» Ihr Gesundheitszustand habe direkten Einfluss auf die medizinischen Entscheide. So würden sie den Patienten gegenüber in gefährlicher Weise gleichgültig. Gegen Patienten, die nerven und jedes «Bobo» behandelt haben wollen, gibt es nur Mittel: die Erfahrung. Ein Walliser Hausarzt: «Zum Glück hat man mit den Jahren ein Gespür dafür, was echte Notfälle sind.»
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«Unsere Arbeit ist belastend – diese Belastung nehmen wir ernst – viele Kolleginnen nutzen Supervisionsmöglichkeiten oder kümmern sich sonst aktiv um ihre Gesundheit und Belastungsfähigkeit. Als Berufsorganisation schaffen wir jetzt ein zusätzliches Angebot für den modernen, verantwortlichen Arzt», sagt ReMed-Projektleiter und Arzt Michael Peltenburg.
Die schweizerische Ärzteorganisation sieht das Projekt, dass zur Zeit in den Kantonen Thurgau und Neuenburg läuft, als klare Notwendigkeit an. Hilfesuchende Ärzte können sich bei ReMed über eine Holtine, Kontaktadressen und via Internet Website melden. «Wir wollen sie darüber informieren, was sie machen können, bevor es zu spät ist», so Peltenburg. Nach einer ersten Kontaktaufnahme und einer Standortbestimmung vermittelt ReMed den Medizinern geignete Psycholgen, Psychiater und andere Experten.
An ReMed können sich auch Patienten, Mitarbeiter oder Familienmitglieder wenden, wenn sie das Gefühl haben ein Arzt braucht Hilfe. Ein Beirat mit Patientenorganisationen, Ärzten, Angehörigen, Krankenkassen und Partnerberufen soll noch dieses Jahr gegründet werden. Es ist geplant ReMed gesamtschweizerisch anzubieten.
«Unsere Arbeit ist belastend – diese Belastung nehmen wir ernst – viele Kolleginnen nutzen Supervisionsmöglichkeiten oder kümmern sich sonst aktiv um ihre Gesundheit und Belastungsfähigkeit. Als Berufsorganisation schaffen wir jetzt ein zusätzliches Angebot für den modernen, verantwortlichen Arzt», sagt ReMed-Projektleiter und Arzt Michael Peltenburg.
Die schweizerische Ärzteorganisation sieht das Projekt, dass zur Zeit in den Kantonen Thurgau und Neuenburg läuft, als klare Notwendigkeit an. Hilfesuchende Ärzte können sich bei ReMed über eine Holtine, Kontaktadressen und via Internet Website melden. «Wir wollen sie darüber informieren, was sie machen können, bevor es zu spät ist», so Peltenburg. Nach einer ersten Kontaktaufnahme und einer Standortbestimmung vermittelt ReMed den Medizinern geignete Psycholgen, Psychiater und andere Experten.
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