Jasmin Paris (35) hat Aids und Krebs
«Die Lust war grösser als der Verstand»

Sie hatte alles, war glücklich verliebt und heiratete. Doch dann kam eine erschreckende Diagnose.
Publiziert: 04.06.2014 um 20:35 Uhr
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Aktualisiert: 28.09.2018 um 23:29 Uhr
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Bei der Chemo im Spital wäre Jasmin Paris fast gestorben.
Foto: ZVG
Von Lea Gnos

Jasmin Paris (35) sieht sich ein Foto an, aufgenommen an ihrer Hochzeit im September 2000. «Da war ich bereits HIV-positiv», sagt sie. «Ich wusste es nur noch nicht.»

Die Pflegeassistentin aus Grenchen SO wiegt heute noch 48 Kilo. Bei ihr ist Aids ausgebrochen. Bis vor kurzem war die 35-Jährige dem Tod näher als dem Leben. An ihrer Haustüre sind Aufkleber, auf denen die Gäste gebeten werden, sich die Hände zu waschen. «So schütze ich mein Immunsystem», sagt die quirlige Frau. 

Als sich Paris mit der tödlichen Krankheit ansteckt, ist sie 19 Jahre alt. «Ich hatte eine Affäre mit einem 36-jährigen Mann. Wir hatten mehrmals ungeschützten Sex», sagt Jasmin Paris. «Die Lust war grösser als der Verstand.»

Sie trennt sich von ihm, als sie ihren Ehemann kennenlernt. «Kurz nach meiner Hochzeit las ich in der Zeitung ein Porträt über eine HIV-Positive. Der Bericht machte mich nachdenklich. Ich hatte ein mulmiges Gefühl und liess mich testen», erzählt Paris.

Über die folgende Diagnose war sie nicht überrascht. «Ich hatte es vor dem Test gespürt. Meine Mutter und mein Mann weinten, und ich habe sie ­getröstet.»

Zum Glück hatte sich ihr Ehemann nicht angesteckt. Doch die Beziehung zerbricht an der Krankheit: «Ich war zu Beginn richtig paranoid, habe sogar das Besteck desinfiziert, weil ich Angst hatte, ihn anzustecken.» Die junge Frau versucht mit Alternativ-Medizin ihre Blutwerte stabil zu halten und verzichtet auf HIV-Medikamente. «Es war ein Risiko, doch ich hatte Angst vor den Nebenwirkungen. Im Nachhinein bereue ich es», sagt sie.

Die Blutwerte werden immer schlechter. «Im Februar 2013 sagte ein Notarzt, bei mir sei die Krankheit ausgebrochen. Ich war schockiert.» Mit einer Thrombose wird sie ins Spital eingeliefert. Die Ärzte finden einen bösartigen Tumor im linken Becken, 18 Zentimeter lang, 14 Zentimeter hoch.

Vier Chemotherapien hat die 35-jährige hinter sich. «Bei der ersten fiel ich sechs Tage ins Koma.» Die Ärzte machten am Hals einen Luftröhrenschnitt. «Als ich aufwachte, sprachen sie von einem Wunder», erzählt sie.

Sie hat noch mehr Glück: Die Ärzte bekommen den Tumor in den Griff. Eine weitere Chemo würde sie nicht mehr machen. Sie hat einen Entschluss gefasst: «Wenn der Krebs wiederkommt, gehe ich mit Exit in den Tod.»

Eine Zeit lang sei sie in ein tiefes Loch gefallen, sagt Paris: «Es fiel mir schwer, mit gesunden Menschen zusammen zu sein. Ich wollte sie nicht belasten. Ich dachte, alle sind so schön, ich fühlte mich un­attraktiv.»

Früher fuhr sie gerne In­lineskates. Sport treiben oder arbeiten kann sie nicht mehr. Die Schmerzen in den Knochen, Sehnen und Nerven sind zu stark. Aber sie geht jeden Tag mit ihrer Mutter und den Hunden spazieren. «Ich musste lernen, dass mein Leben nie mehr so sein wird wie früher», sagt Jasmin Paris. «Ich vertrage auch keine Hektik mehr.»

Mit dem Gang an die Öffentlichkeit hofft sie, Kontakt zu Schicksalsgenossen zu finden. Und sie will vor dem HI-Virus warnen: «Nie ungeschützten Sex! Man sieht es einer Person einfach nicht an, wenn sie HIV-positiv ist.»

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