Jamina war 13, als sie in Genf zur Haushalts-Sklavin gemacht wurde
«Sie haben mir mit Zigaretten den Arm verbrannt»

Hunderte von jungen Mädchen werden in Haushalten versklavt und misshandelt, nicht selten auch sexuell.
Publiziert: 28.10.2016 um 00:06 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 17:36 Uhr
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Jamina (22) stammt aus Marokko. Als junges Mädchen wird sie nach Genf gelockt und muss als Haushaltssklavin dienen.
Foto: Fred Merz | lundi13
Myrte Müller

Es geschieht im Verborgenen. Nur selten dringt der stumme Schrei einer «Petite bonne», einer kleinen Dienstmagd, durch die noblen Fassaden ihres Gefängnisses. Es sind blutjunge Mädchen, die von ihren Eltern an reiche Familien verkauft wurden – oder mit falschen Versprechungen weggelockt. Dann werden sie eingesperrt, misshandelt, als rechtlose Dienstmagd missbraucht – nicht selten auch sexuell.

«Es sind Hunderte in der Schweiz», sagt Anne Marie von Arx-Vernon (68), «nicht nur in Genf, auch in Zürich, Basel oder Bern. Überall.» Die Genfer CVP-Grossrätin ist Psychologin und hilft seit 1997 Opfern von Menschenhandel im Genfer Frauenhaus Au Coeur des Grottes. 198 Mädchen fanden in diesen Jahren dort Schutz.

Sie kommen aus allen Teilen der Welt, aus Marokko, Ko­lumbien, Äthiopien, Eritrea, Schwarzafrika, aus dem Ko­sovo, von den Philippinen – und seit ein paar Jahren in steigender Zahl aus der Mongolei.

Die Marokkanerin Jamina (22) war eine solche Haushaltssklavin. Heute hat sie in Genf eine neue Heimat gefunden. Ihre Geschichte gleicht derjenigen vieler ihrer Leidensgenossinnen. Jamina will sie erzählen – nur, erkannt werden will sie nicht. Die Angst steckt ihr noch immer in den Knochen.

«Eine Nachbarin in meinem Heimatort erzählte meiner Mutter, dass ich in der Schweiz zur Schule gehen könne», berichtet Jamina. Die Mutter willigt ein. Die Tochter wird nach Genf gebracht. Jamina ist gerade 13 Jahre alt. Ihr Gefängnis: eine Drei-Zimmer-Wohnung. Ihre Herrinnen: zwei Marokkanerinnen. Die eine ist die Mutter eines achtjährigen Buben, die andere die Grossmutter. Sie nehmen Jamina sofort den Pass ab. Zur Schule darf sie nicht. «Ich musste bis zwei Uhr morgens schuften, hatte nie ­einen Tag frei», sagt Jamina. Sie schläft im Gang, zu essen bekommt sie Reste. Geld sieht sie nie. Den Kontakt zu ihrer Familie in Marokko haben die Herrinnen gekappt. «Wenn ihnen mein Essen nicht schmeckte oder ich etwas fallen liess, schlugen sie mich mit dem Telefonkabel. Sie haben mir auch mit Zigaretten die Arme verbrannt.»

Jamina weint viel, aber nie laut. Zwei Jahre dauert das Martyrium. Dann wird sie von einer Nachbarin befreit. Jamina kommt im Frauenhaus Au Coeur des Grottes unter. Ihre Peinigerinnen landen zwar vor Gericht, kommen aber mit Bewährungsstrafen davon.

Selten genug kommt es zu einem Prozess. «Häufig reisen Familien im diplomatischen Dienst mit Haushaltssklaven in die Schweiz», sagt Daliborka Jankovic (31) von der Schweizer OSZE-Delegation. «Sie geniessen Immunität, und es ist schwierig, Opfer zu identifizieren.» In vielen Ländern wie den Golfstaaten sind «Petites bonnes» eine Selbstverständlichkeit.

Bekannt ist das nicht erst seit dem Fall Hannibal Gaddafi (41) und dessen Ehefrau Aline (36). Der Sohn des damaligen libyschen Diktators misshandelte 2008 in einem Genfer Luxus­hotel zwei Diener. Die zeigten ihre Herrschaft an. Das Ehepaar Gaddafi wurde festgenommen. Es war der Beginn einer Staatsaffäre.

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