«Es braucht einen Shutdown wie in Italien»
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Kritik an Corona-Massnahmen:«Es braucht einen Shutdown wie in Italien»

Blick-TV-Reporter berichtet aus Norditalien
Man hört nur die Kirchenglocken

Blick-TV-Reporter Pascal Scheiber ist vor Ort – im Zentrum der Pandemie geht nichts mehr. Ob Mailand, Venedig oder Bergamo: die Menschen verkriechen sich in ihren Häusern.
Publiziert: 15.03.2020 um 08:15 Uhr
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Aktualisiert: 15.03.2020 um 13:08 Uhr
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Ungewohnte Leere auf dem Mailänder Domplatz.
Foto: DUKAS
Pascal Scheiber

Es wirkt wie tot – mein geliebtes Mailand, die pulsierende Wirtschafts- und ­Modemetropole, Ziel für Wochenendausflüge, Tor in den Süden, all die schönen Erinnerungen an Sonne, Gelati und Espresso ... Aber ich erkenne die Stadt kaum wieder. Es ist Freitag. Ich bin für eine Reportage hier.

Auf der Piazza del Duomo, wo sonst Massen von Touristen und Geschäftsleuten für eine vibrierende Atmosphäre sorgen, herrscht Stille. Kein Lachen, kein Schreien, keine Kinderstimmen. Das Einzige, was man hört, sind die Kirchenglocken. Wie in einem kleinen Dorf. Eine erdrückende Ruhe.

Milano Centrale, pompöser Hauptbahnhof und Verkehrsknotenpunkt Norditaliens, ist ausgestorben, als ob es Sonntag wäre, kurz vor Mitternacht. Doch es ist halb sechs, eigentlich mitten in der Rushhour.

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Es gibt nicht einmal etwas zu essen

Restaurants und Cafés sind geschlossen. Cappuccino trinken? Fehlanzeige. Sogar das Speiselokal meines Hotels ist geschlossen. Auf die Frage, wo ich denn etwas zu essen bekomme, meint die Rezeptionistin, vielleicht hätte das Pizza-Take-away um die Ecke offen. Aber auch das ist zu. Schwierig, etwas zu essen zu bekommen – und das hier!

Auch die Strassen sind leer. In 15 Autominuten ist man von der Stadtmitte schon in den Vororten. Da muss man aber gar nicht hin, Parkplätze gibt es heute gleich hinter dem Dom. Das ist normalerweise in diesem Land, wo ohne «macchina» nichts läuft, schlicht unvorstellbar.

Die Milanesi verkriechen sich zu Hause. Die Stadt dürfen sie ohnehin nicht verlassen. Mit vier sogenannten Stringern habe ich geredet. Das sind Einheimische, die für Journalisten Kontakte mit Gesprächspartnern herstellen, ansonsten ein problemloser Vorgang. Diesmal traute sich keiner aus dem Haus, obwohl man es mit einem Arbeitsauftrag dürfte. Sie habe Fieber, meinte eine, die mir jemand vom ORF vermittelt hatte.

Eine Atmosphäre fast wie im Horrofilm

Einige Tage zuvor in Venedig dasselbe Bild. Der Markusplatz ist einzig von Tauben bevölkert. Keine Touristenströme wie sonst, keine Rentnerhorden von angedockten Kreuzfahrtschiffen. Immerhin gab es in der Lagunenstadt ein paar Einheimische, die der Situation etwas Positives abgewinnen können. «Jetzt gehört das Zentrum wieder uns», sagt einer. Tatsächlich ist es den Venezianern für eine Weile möglich, «ihre» Kirchen und Paläste zu betreten, über «ihren» Markusplatz zu joggen.

Am gespenstischsten war der Besuch im mittlerweile völlig abgeriegelten Bergamo. In der Barockstadt am Fusse der Alpen ist kein Lebenszeichen wahrzunehmen, kein Mensch lässt sich sehen oder hören, nur die Sirenen der Ambulanzfahrzeuge, die zu den abgeschotteten Kliniken rasen. Immer und immer wieder. Eine so unheimliche Stimmung, fast wie aus einem Horrorfilm, habe ich noch nie erlebt.

In einem Punkt sind sich alle Italienerinnen und Italiener, mit denen ich gesprochen habe einig: Man habe Vertrauen in die Regierung in Rom. «Die machen momentan einen guten Job», sagt eine Frau. Das «momentan» hat sie besonders betont. Doch sie hofft, dass es so bleibt.

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