Kinder, die andere an den Haaren reissen, oder Kinder, die stundenlang am Stück schreien, nachdem das Mami gegangen ist. Oder Mädchen und Buben, die alles verweigern, im Kindergarten immer noch Windeln tragen oder sich sogar regelmässig einkoten.
Die Zahl der verhaltensauffälligen Kinder im Kanton Zürich sei in den vergangenen Jahren deutlich angestiegen, schreibt die NZZ am Sonntag. Brigitte Fleuti, die Präsidentin des Verbands Kindergarten Zürich (VKZ), spricht von einer «beträchtlichen» Zunahme. So hat auch die Repetitionsquote im Kindergarten zugenommen, weil die Kleinen selbst nach zwei Jahren schlichtweg noch nicht in die Schule geschickt werden können.
Mehr als 3 von 10 Kindern
Es sei allerdings kein kantonales, sondern ein nationales Phänomen, beobachtet Brigitte Fleuti. Sie schätzt, dass zwischen 20 und 80 Prozent der Kinder solche Auffälligkeiten zeigen. Das Spektrum ist breit und reicht vom passiven bis hin zum ständig aggressiven Kind.
Zahlen aus Deutschland zeigen, dass Fleuti mit ihrer Schätzung gar nicht so falsch liegen dürfte. Dort weisen 18 Prozent der Buben und 16 Prozent der Mädchen Verhaltensstörungen auf. Bei weiteren 15 Prozent der Buben und 23 Prozent der Mädchen stellte eine aktuelle Erhebung eine grenzwertige Auffälligkeit fest.
Das heisst, mehr als 3 von 10 Kindern bringen die Kindergärtnerinnen an den Anschlag. Sie stören den Unterricht teilweise massiv. Die Gründe für die Verhaltensauffälligkeiten sind vielfältig.
Mangelnde Erziehung und zu viele elektronische Medien
Teilweise mangle es an der Erziehung, sagt Beatrice Kronenberg, Direktorin des Schweizer Zentrums für Heil und Sonderpädagogik: «Diesen Kindern fehlt dann die Erfahrung, sich in eine Gruppe einzuordnen, zu warten, nicht immer im Mittelpunkt zu stehen.»
Schuld sei auch der häufige Einsatz elektronischer Medien, um die Kinder ruhigzustellen. Einfluss habe zudem eine falsche Ernährung. Vermehrt würden auch genetische Störungen auftreten.
Weniger grosse Klassen gefordert
Das Volksschulamt des Kantons Zürich hat auf die Klagen aus den Kindergärten reagiert und eine Arbeitsgruppe eingesetzt. Diese will das Problem aber auf allen Altersstufen angehen. Das Volksschulamt hat etwa eine Broschüre herausgegeben, zudem werden Weiterbildungen angeboten.
Für die Zürcher Kindergärtnerinnen ist das nicht genug. Brigitte Fleuti fordert in der NZZ am Sonntag eine Reduktion der Klassengrössen, vermehrt Halbklassenunterricht, einen Topf mit zusätzlichen Stellenprozenten für Notsituationen und die Möglichkeit von Timeouts für ganz schwierige Fälle. (ct)