In Dottikon AG krabbeln sie ins Quartier
Kartoffelkäfer-Plage im Mittelland

In den Kantonen Zürich, Aargau und Bern sind die Kartoffelkäfer los und breiten sich explosionsartig aus. In Dottikon AG krabbeln sie vom Feld schon bis ins Quartier. «Wir müssen sie mit Holzscheiten totschlagen», sagt eine Anwohnerin.
Publiziert: 11.07.2018 um 10:48 Uhr
|
Aktualisiert: 07.10.2018 um 10:15 Uhr
Kartoffelkäfer-Invasion plagt Bewohner von Dottikon AG
2:20
Insekten-Plage im Mittelland:Kartoffelkäfer-Invasion plagt Bewohner von Dottikon AG
Céline Trachsel, Sean Douglas

In Dottikon AG kämpft das ganze Bally-Quartier gegen eine wahre Kartoffelkäfer-Invasion. Tausende der gelb-schwarzen Viecher krabbeln von einem Kartoffelfeld über eine Quartierstrasse und befallen die angrenzenden Gärten und Fassaden. «Wir mussten sie mit Holzscheiten totschlagen. So verbrachten wir unser ganzes Wochenende», schimpft Brigitte H.* (56).

Die Anwohnerin ist aufgebracht: «Wir müssen alles geschlossen halten, damit die Käfer nicht ins Hausinnere eindringen. Ich könnte nicht mehr schlafen, wenn ich wüsste, dass die Käfer drin sind.» Sie ekle sich vor den Insekten, aber noch mehr ärgere sie sich über den Landwirt. Ihr Vorwurf: «Er sagte uns, er könne nichts dagegen tun.»

Auch die benachbarte Pizzeria Bellissimo von Ali Çifçi (41) ist betroffen. «Am Samstag war alles schwarz hier. Ich habe die Käfer mit dem Hochdruckreiniger weggespült.» Er selbst findet die Tierchen zwar nicht so schlimm, das sei halt Natur. «Doch für einen Restaurantbetrieb ist das nicht so ideal. Die Gäste denken dann gleich an Kakerlaken in der Küche. Was natürlich nicht stimmt!»

Explosionsartige Verbreitung

Das Problem mit dem hungrigen Käfer, der ganze Kartoffelfelder, aber auch liebevoll gehegte Privatgärten leerfressen kann, ist dieses Jahr enorm. Laut der «Bauern Zeitung» sind im ganzen Mittelland massive Populationen anzutreffen. Wegen des heissen Wetters seit April habe sich der Schädling explosionsartig vermehrt.

Auf Anfrage beim Aargauer Amt für Landwirtschaft sagt Thomas Hufschmid vom Pflanzenschutzdienst: «Im 2018 ist der Käferdruck sehr hoch, dies vor allem in den grossen Anbaukantonen Aargau, Bern und Zürich.» Die Käfer hätten sich aus Feldern retten können, die bereits mit Insektizid behandelt wurden, und zogen sich in Maisfelder zurück, wo sie sich von Durchwuchskartoffeln vom letzten Jahr ernährten. Aber: «Dieses Nahrungsangebot ist mittlerweile aufgebraucht, weshalb sie nun wieder neues Futter suchen. Dies führt hin und wieder zu solch massivem Auftreten – auch im Siedlungsraum. Dort versammeln sich die Käfer an Hausmauern oder fliegen in Gärten ein.»

Sogar Bio-Bauern dürfen jetzt Insektizid verwenden

Der Kartoffelkäfer sei ein sehr ernstzunehmender Schädling, so Hufschmid. Als Privatgartenbesitzer könne man die Käfer einfach einsammeln, aber auf landwirtschaftlichen Flächen bräuchte dies zu viel Personal. Deshalb gebe es bewilligte Insektizide. Doch beim gängigen Mittel Novodor gibt es bereits Versorgungsengpässe! Zwei weitere Pestizide mussten deshalb vorübergehend zugelassen werden.

Die Situation ist so ausserordentlich, dass sogar bei Bio-Anbau Gift zum Einsatz kommen darf. Hufschmid: «Dieses Jahr wurde ausnahmsweise das Insektizid Audienz für den Bio-Anbau bewilligt.» Dieses Mittel hat übrigens nun auch der Landwirt aus Dottikon am Rande seines Feldes gespritzt. Er sagt zerknirscht zu BLICK: «Ich hoffe, dass die Anwohner bald ihre Ruhe haben. Mir ist das Ganze auch sehr unangenehm.»

* Name geändert

Kartoffelkäfer diente als Propaganda-Material

Die Nazis nannten ihn den «Amikäfer». Während NS-Zeiten wurde von den Nationalsozialisten behauptet, dass die Amerikaner Kartoffelkäfer in Flugzeugen abgeworfen hätten. Den Amerikanern diente diese Aktion anscheinend als biologisches Kampfmittel. Mit dieser Ausrede erklärten die Nationalsozialisten die schlechte Ernte in Kriegsjahren. Doch tatsächlich testeten die Nazis 1943 selber, ob sie die Kartoffelkäfer über Frankreich abwerfen können. Es blieb bei Tests, zur Ausführung kam es nie. (sdg)

Die Nazis nannten ihn den «Amikäfer». Während NS-Zeiten wurde von den Nationalsozialisten behauptet, dass die Amerikaner Kartoffelkäfer in Flugzeugen abgeworfen hätten. Den Amerikanern diente diese Aktion anscheinend als biologisches Kampfmittel. Mit dieser Ausrede erklärten die Nationalsozialisten die schlechte Ernte in Kriegsjahren. Doch tatsächlich testeten die Nazis 1943 selber, ob sie die Kartoffelkäfer über Frankreich abwerfen können. Es blieb bei Tests, zur Ausführung kam es nie. (sdg)

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?