Scheidungen gehören in der Schweiz zum Alltag. Allein 2011 gingen 17566 Ehen in die Brüche. 12731 Kinder leben seitdem neu in Scheidungshaushalten.
Die Zahl der Anträge auf das gemeinsame Sorgerecht steigt seit Jahren. In der Regel gewinnen aber noch immer die Mütter und erhalten das Sorgerecht allein, bei Unverheirateten sogar automatisch. Eine von Bundesrätin Simonetta Sommaruga (SP) vorangetriebene Gesetzesrevision soll nun die Stellung der Väter verbessern.
In dieser Woche entschied der Nationalrat, dass sich getrennte Eltern im Normalfall das Sorgerecht teilen sollen. Bisher war dies nur möglich, wenn sie sich darauf einigen konnten – häufig erst nach jahrelangen Auseinandersetzungen zwischen den Eltern.
Familienrechtler sehen die Revision bisher noch skeptisch, warnen wegen unklarer Regelungen und neuer Pflichten vor mehr Konflikten.
SonntagsBlick besuchte zwei Alleinerziehende und fragte, was sie von der Neuregelung halten:
Krankenschwester Eveline Münch (53) lebt mit ihrem Sohn Lucas (17) in Kleinbasel. «Die Idee eines gemeinsamen Sorgerechts finde ich eigentlich gut. Aber ich bezweifle, dass es funktioniert und nicht zu mehr Konflikten führt. Zu viele – leider oft Väter – sind am Schluss doch nicht bereit, die Arbeit im Alltag mitzutragen» – beispielsweise das Arbeitspensum zu reduzieren oder ihr Privatleben einzuschränken. Münch glaubt eher, dass die Alleinerziehenden durch die neue Regel stärker belastet würden, weil sie die Ex-Partner in vielen Angelegenheiten fragen müssen – obwohl diese ihr Kind nicht einmal mehr unterstützen. «Ich war froh, musste ich nicht jedes Mal noch meinen Ex-Mann fragen.»
Lucas findet, dass nur engagierte Väter ein Sorgerecht bekommen sollen: «Sonst ist es sinnlos. Ich habe mir immer gewünscht, dass mein Vater sich für mich interessiert. Und jedes Mal, wenn wir in der Schule eine Aufführung hatten, hoffte ich, dass er kommt», erzählt er. «Irgendwann habe ich mich aber daran gewöhnt, dass nur die Mutter da ist.» Für Eveline Münch besonders wichtig: «Es ist richtig, dass es Ausnahmen gibt, wo doch nur ein Elternteil das Sorgerecht bekommt. Bei uns waren die Probleme zu gross, wir mussten deshalb ausziehen.»
Dass das Gesetz auch rückwirkend umgesetzt wird, finden die beiden fair. Nur: «Für uns ändert das nichts. Der Vater scheint uns momentan nicht mehr bieten zu können.» Lucas möchte später ein Vater sein, der sich um das Sorgerecht bemüht und immer für seine Kinder da ist.
Krankenschwester Eveline Münch (53) lebt mit ihrem Sohn Lucas (17) in Kleinbasel. «Die Idee eines gemeinsamen Sorgerechts finde ich eigentlich gut. Aber ich bezweifle, dass es funktioniert und nicht zu mehr Konflikten führt. Zu viele – leider oft Väter – sind am Schluss doch nicht bereit, die Arbeit im Alltag mitzutragen» – beispielsweise das Arbeitspensum zu reduzieren oder ihr Privatleben einzuschränken. Münch glaubt eher, dass die Alleinerziehenden durch die neue Regel stärker belastet würden, weil sie die Ex-Partner in vielen Angelegenheiten fragen müssen – obwohl diese ihr Kind nicht einmal mehr unterstützen. «Ich war froh, musste ich nicht jedes Mal noch meinen Ex-Mann fragen.»
Lucas findet, dass nur engagierte Väter ein Sorgerecht bekommen sollen: «Sonst ist es sinnlos. Ich habe mir immer gewünscht, dass mein Vater sich für mich interessiert. Und jedes Mal, wenn wir in der Schule eine Aufführung hatten, hoffte ich, dass er kommt», erzählt er. «Irgendwann habe ich mich aber daran gewöhnt, dass nur die Mutter da ist.» Für Eveline Münch besonders wichtig: «Es ist richtig, dass es Ausnahmen gibt, wo doch nur ein Elternteil das Sorgerecht bekommt. Bei uns waren die Probleme zu gross, wir mussten deshalb ausziehen.»
Dass das Gesetz auch rückwirkend umgesetzt wird, finden die beiden fair. Nur: «Für uns ändert das nichts. Der Vater scheint uns momentan nicht mehr bieten zu können.» Lucas möchte später ein Vater sein, der sich um das Sorgerecht bemüht und immer für seine Kinder da ist.
Georgios Skarlakidis (47) aus Dielsdorf ZH räumt das Abendessen ab. Seine drei Kinder Nikeas (16), Danai (12) und Melina (10) helfen. Eine Familienidylle, die sich der Finanzberater hart erkämpft hat. Seit August wohnt er mit den Kindern zusammen – nach sechs Jahren zermürbender Kampfscheidung. «Das ganze Geld ging für Anwälte weg, aber ich gab nicht auf», sagt er. Schliesslich einigten sich die Eltern dank einer Mediation aussergerichtlich: Das Sorgerecht hat die Mutter, die Kinder wohnen bei ihm.
Georgios unterstützt den Entscheid für das gemeinsame Sorgerecht: «Es ist ein Meilenstein, ein wichtiger Schritt zur Gleichberechtigung der Geschlechter. Ich werde das sicher rückwirkend beantragen.» Denn: «Die Kinder brauchen beide Elternteile. Ausnahmen beim Sorgerecht sind zum Schutz des Kindes sicher richtig, aber sie sollten niemanden ganz ausschliessen, wie das bei mir war. Das ist brutal.» Nikeas, Danai und Melina besuchten ihren Vater heimlich, weil sie ihn vermissten. «Ich glaube, alle Kinder haben den Wunsch, Zeit mit Vater und Mutter zu verbringen – egal, wie die Eltern miteinander auskommen und in welcher Situation sie sind. Durch den Streit wurde der Vater für uns ein Fremder», sagt Nikeas.
Er hofft, dass künftig vielen Scheidungskindern solche Erlebnisse erspart bleiben: «Wir wären froh gewesen, wenn das Sorgerecht von Anfang geteilt gewesen wäre. Wir litten unter dem Hin und Her. Ich schlief oft schlecht und war schlecht in der Schule.»
Denn: «Wir wollten immer zur Hälfte bei der Mutter und beim Vater sein. Aber das Gericht erlaubte das nicht. Unsere Mutter bestimmte alles. Sie hatte zu viel Macht. Ich finde es besser, dass die Eltern nun miteinander entscheiden müssen. Dann stehen wir nicht in der Mitte.»
Der Vater mahnt an, das Kindeswohl stets über die Interessen der Ex-Partner zu stellen: «Das Umzugsverbot ist richtig. Und auch, dass die Eltern sich über Entscheide einigen müssen, zum Beispiel, wenn es um die Berufswahl geht.» Nikeas: «Wir wollten nicht zügeln, die Eltern haben sich nun arrangiert.»
Georgios Skarlakidis (47) aus Dielsdorf ZH räumt das Abendessen ab. Seine drei Kinder Nikeas (16), Danai (12) und Melina (10) helfen. Eine Familienidylle, die sich der Finanzberater hart erkämpft hat. Seit August wohnt er mit den Kindern zusammen – nach sechs Jahren zermürbender Kampfscheidung. «Das ganze Geld ging für Anwälte weg, aber ich gab nicht auf», sagt er. Schliesslich einigten sich die Eltern dank einer Mediation aussergerichtlich: Das Sorgerecht hat die Mutter, die Kinder wohnen bei ihm.
Georgios unterstützt den Entscheid für das gemeinsame Sorgerecht: «Es ist ein Meilenstein, ein wichtiger Schritt zur Gleichberechtigung der Geschlechter. Ich werde das sicher rückwirkend beantragen.» Denn: «Die Kinder brauchen beide Elternteile. Ausnahmen beim Sorgerecht sind zum Schutz des Kindes sicher richtig, aber sie sollten niemanden ganz ausschliessen, wie das bei mir war. Das ist brutal.» Nikeas, Danai und Melina besuchten ihren Vater heimlich, weil sie ihn vermissten. «Ich glaube, alle Kinder haben den Wunsch, Zeit mit Vater und Mutter zu verbringen – egal, wie die Eltern miteinander auskommen und in welcher Situation sie sind. Durch den Streit wurde der Vater für uns ein Fremder», sagt Nikeas.
Er hofft, dass künftig vielen Scheidungskindern solche Erlebnisse erspart bleiben: «Wir wären froh gewesen, wenn das Sorgerecht von Anfang geteilt gewesen wäre. Wir litten unter dem Hin und Her. Ich schlief oft schlecht und war schlecht in der Schule.»
Denn: «Wir wollten immer zur Hälfte bei der Mutter und beim Vater sein. Aber das Gericht erlaubte das nicht. Unsere Mutter bestimmte alles. Sie hatte zu viel Macht. Ich finde es besser, dass die Eltern nun miteinander entscheiden müssen. Dann stehen wir nicht in der Mitte.»
Der Vater mahnt an, das Kindeswohl stets über die Interessen der Ex-Partner zu stellen: «Das Umzugsverbot ist richtig. Und auch, dass die Eltern sich über Entscheide einigen müssen, zum Beispiel, wenn es um die Berufswahl geht.» Nikeas: «Wir wollten nicht zügeln, die Eltern haben sich nun arrangiert.»
- Der Normalfall Das gemeinsame Sorgerecht für die Kinder soll bei Trennungen und Scheidungen künftig die Norm sein – und nicht mehr wie bisher nur dann, wenn sich die Eltern einvernehmlich darum bemühen und sich auch einigen können.
- Die Ausnahmen Ein Gericht muss überprüfen, ob die Voraussetzungen für das Sorgerecht erfüllt sind. Gründe für eine Ablehnung sind etwa: Unerfahrenheit, Krankheit, Gebrechen, Gewalttätigkeit oder Ortsabwesenheit. Unverheiratete Eltern müssen einen von den Kinderschutzbehörden genehmigten Unterhaltsvertrag vorweisen.
- Das Konfliktpotenzial Gemäss Bundesrat sollen die Erziehungsberechtigten künftig alles gemeinsam regeln, was das Kind betrifft. Entscheide über alltägliche oder dringliche Angelegenheiten jedoch soll der Elternteil allein treffen, der die Obhut über die Kinder hat.
- Das «Umzugsverbot» Die Wahl des Wohnorts ist Teil der elterlichen Sorge. Wenn ein geschiedener Vater umziehen will, braucht er daher die Zustimmung der Mutter oder des Gerichts.
- Die Frist Die Möglichkeit für die Eltern, einen Antrag auf gemeinsames Sorgerecht zu stellen, gilt auch rückwirkend – egal, wie lange die Scheidung oder Trennung schon her ist.
- Der Normalfall Das gemeinsame Sorgerecht für die Kinder soll bei Trennungen und Scheidungen künftig die Norm sein – und nicht mehr wie bisher nur dann, wenn sich die Eltern einvernehmlich darum bemühen und sich auch einigen können.
- Die Ausnahmen Ein Gericht muss überprüfen, ob die Voraussetzungen für das Sorgerecht erfüllt sind. Gründe für eine Ablehnung sind etwa: Unerfahrenheit, Krankheit, Gebrechen, Gewalttätigkeit oder Ortsabwesenheit. Unverheiratete Eltern müssen einen von den Kinderschutzbehörden genehmigten Unterhaltsvertrag vorweisen.
- Das Konfliktpotenzial Gemäss Bundesrat sollen die Erziehungsberechtigten künftig alles gemeinsam regeln, was das Kind betrifft. Entscheide über alltägliche oder dringliche Angelegenheiten jedoch soll der Elternteil allein treffen, der die Obhut über die Kinder hat.
- Das «Umzugsverbot» Die Wahl des Wohnorts ist Teil der elterlichen Sorge. Wenn ein geschiedener Vater umziehen will, braucht er daher die Zustimmung der Mutter oder des Gerichts.
- Die Frist Die Möglichkeit für die Eltern, einen Antrag auf gemeinsames Sorgerecht zu stellen, gilt auch rückwirkend – egal, wie lange die Scheidung oder Trennung schon her ist.