Illegale Adoptionen, Prostitution, Pornografie
So dreckig ist der Kinder-Handel

Jedes Jahr werden in der Schweiz 300 Kinder aus dem Ausland adoptiert. Grösstenteils legal. Doch Kinderhändler treiben auch bei uns ihr Unwesen.
Publiziert: 04.03.2015 um 21:20 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 23:42 Uhr
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Flavia Frei (49), Kinderschutz Schweiz: «Man kauft doch kein Kind wie ein paar neue Schuhe.»
Von Myrte Müller

Ein Tessiner Ehepaar (57 und 48) kauft einen rumänischen Buben (8), um ihn als ihren leiblichen Sohn auszugeben. Bei der Übergabe auf Sizilien werden Calogero (57) und Lorella C.* (48) verhaftet. Jetzt sitzt das Paar im Knast. Der Vorwurf: Kinderhandel! Kann Kinderwunsch ein Verbrechen sein?

Bei Flavia Frei (49) von der Stiftung Kinderschutz Schweiz schrillen da die Alarmglocken: «Ich halte den Fall für hochproblematisch und hochillegal. Was hatte das Ehepaar mit dem Buben wirklich vor? Wollte es ihn verstecken? Früher oder später wäre doch der Schwindel aufgeflogen.»

Erwachsene hätten kein Recht auf Kinder, sagt Frei. «Aber Kinder haben ein Recht auf Schutz durch Erwachsene. Man kann nicht ein Kind kaufen wie ein paar neue Schuhe. Wären die Tessiner in der Schweiz erwischt worden, so hätte es auch eine Strafanzeige gegeben.»

Adoption mit gefälschten Papieren

Pro Jahr adoptieren Schweizer Eltern 300 Kinder aus dem Ausland. Auch mit illegalen Mitteln wie gefälschten Papieren.

«Bei einer Adoption aus dem Ausland werden die Eltern geprüft», sagt Flavia Frei. «Alter, wirtschaftliche und soziale Situation, alles muss stimmen.» Und auch die Herkunft des Kindes müsse gesichert sein. Denn auch in der Schweiz ist Kinderhandel kein Fremdwort.

In einem Bericht von Unicef Schweiz von 2013 wird die Eidgenossenschaft als Ziel- und Transitland für gekaufte Kinder bezeichnet. Kinder aus armen Ländern würden unter dubiosen Umständen an Adoptiveltern vermittelt.

Ein sehr lukratives Business mit der Ware Kind, an dem gleich mehrere Personen verdienten. Bis zu 35 000 Franken kassieren allein die Anwälte, heisst es im Bericht. Es gehe aber auch um kriminelle Ausbeutung.

Das bestätigt die Bundes­polizei. «Wir wissen von Kindern aus dem Ausland, die hier im Pornobusiness landen und sexuell missbraucht werden», sagt Boris Mesaric.

Betteln und stehlen für Banden

Er ist Leiter der Koordinationsstelle gegen Menschenhandel und Menschenschmuggel. «Junge Mädchen, oft aus Ost­europa, enden auf dem Strich. Ethnische Minderheiten aus dem Südosten Europas verkaufen ihre Kinder an Banden.» Für die müssen die Kleinen betteln oder stehlen gehen.

Sie seien, sagt Mesaric, in Genf, Lausanne und in der Deutschschweiz zu finden. In Einzelfällen würden Minderjährige in diplomatischen Haushalten als Dienstboten versklavt. «Das Sozialnetz in der Schweiz ist gut. Wir haben eine aufmerksame Kinderschutzbehörde, weder Kinderarmut noch Kinderobdachlosigkeit», sagt Boris Mesaric.

So trifft es so gut wie nie Schweizer Kinder. Ausländische hingegen können eher durch die Maschen fallen. Flavia Frei: «Ein Problem sind auch unbegleitete Jugendliche, die hier Asyl beantragen. Wir wissen nicht, ob sie wirklich allein kommen. Sie sind schnell Opfer von Kinderhändlern.»

* Name der Redaktion bekannt

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