Horror-Unwetter am Eidgenössischen Turnfest in Biel fordert 39 Verletzte
Hier rennen Turner um ihr Leben

Von weitem sieht man eine Staubwolke. Sie kommt näher. Dann bricht Panik aus.
Publiziert: 21.06.2013 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 20:48 Uhr
Von Barbara Lanz und Britta Krauss

Zerfetzte Zelte, umgestürzte Bäume, zusammengebrochene Tribünen: Ein Sturm hat gestern Abend das Gelände des Eidgenössischen Turnfests in Biel BE verwüstet – schon zum zweiten Mal innerhalb von sieben Tagen. 39 Menschen wurden verletzt, sechs davon schwer. Sie alle wurden in Spitäler gebracht. Auch ein Kind ist unter den Opfern.

Besonders betroffen waren die Anlagen in Ipsach. Augenzeugen beschreiben dramatische Szenen, als das Unwetter dort gegen 18 Uhr zuschlug. Manche sprechen sogar von einem Tornado. «So einen Sturm habe ich noch nie erlebt», sagt ein schockierter Besucher.

Festzelt hochgehoben

«Es ging extrem schnell», berichtet ein SRF-Reporter vor Ort in Ipsach. «Es gab eine Durchsage via Lautsprecher, die Leute sollten das Festzelt sofort verlassen, weil es zu gefährlich sei. Dann sah ich eine gelbe Staubwolke kommen, alles wirbelte durch die Luft.» Sogar das Festzelt sei hochgehoben worden.

Unter den Besuchern, die gerade noch fröhlich miteinander gefeiert hatten, brach Panik aus. «Plötzlich rannten die Leute um ihr Leben», sagt der Reporter. «Ich sah Menschen, die unter Trümmern der Festzelte eingeklemmt waren.» Andere Augenzeugen berichteten von Menschen mit Kopfverletzungen, gebrochenen Armen und offenen Beinen.

Pius Zumthor (49) und seine Frau aus Röschenz BL waren in einem Festzelt in Nidau gefangen, als das Unwetter zuschlug. «Der Sturm kam wie eine Wand», erzählt er. «Dann brach Panik aus. Wir dachten anfangs nicht, dass es so schlimm wird. Dann fing das Zelt an, sich wellenförmig zu bewegen. Die Helfer verriegelten alle Türen, auch die Notausgänge. Wir hatten Angst, dass wir nicht mehr rauskommen.» Plötzlich habe man ihnen befohlen, das Zelt zu verlassen und mitten durch den Sturm zu einem nahe gelegenen Gymnasium zu fliehen. «Unsere Kinder waren zum Turnen in Ipsach. Sie mussten in ein Wohnhaus fliehen. Wir stehen immer noch unter Schock.»

Übrig blieb nach dem Sturm ein Trümmerfeld: Überall lagen Äste, Metallgestänge, umgestürzte Bäume und zusammengebrochene Essstände. Die Zeltstadt in Ipsach wurde wie schon vergangene Woche plattgewalzt. Damals blieb es allerdings bei Sachschäden.

Befehl zur Evakuation

Diesmal wurde das Organisationskomitee vor allem vom plötzlichen Auftreten der Gewitterwinde überrascht. Schon am Vormittag habe es Wetterwarnungen gegeben, dann auch am Nachmittag, sagte Sauvain. «Wir waren im Lagebüro und analysierten die Situation», sagte Festdirektor Fränk Hofer. «Um 17.30 Uhr war das Wetter gut, um 17.45 Uhr war es gut, um 18 Uhr war es gut» - bis kurz nach 18 Uhr der Wind kam.

Erneut gab die Festleitung dann den Befehl zur Evakuation. Hofer entschied, die Wettkämpfe abzusagen. Vom Meteorologischen her sei die Situation nicht zu vergleichen gewesen mit vergangenem Freitag, sagte Sauvain: Am Donnerstag habe ein Gewittersturm das Gelände heimgesucht.

Armee im Einsatz

Kurz nach dem Sturm rückte ein Grossaufgebot an Rettungskräften an. Ein Rega-Heli kreiste über dem Gelände, auch die Armee war im Einsatz. Laut Veranstalter sollten 500 Helfer mit Unterstützung der Armee die Nacht durcharbeiten, um das Gelände wieder aufzubauen.

Laut SRF-«Meteo» handelte es sich bei dem Sturm um eine sogenannte Superzelle, die aus Savoyen (F) über Genf und den Jura bis in die Nordwestschweiz hereingebrochen sei. In Ipsach wurden Windgeschwindigkeiten von 124 km/h gemessen, bevor die Gewitterfront über das Berner Seeland und das zentrale Mittelland weiterzog.

Das Unwetter richtete auch in anderen Teilen der Schweiz grosse Schäden an: In Genf gingen in weniger als einer halben Stunde 20 Millimeter Regen nieder. Vereinzelt gab es Hagel. Die Feuerwehr war im Dauereinsatz. Am Flughafen Genf-Cointrin verschoben Windböen kleinere Flugzeuge. Der Flugbetrieb wurde für 20 Minuten eingestellt. Auch der Bahnverkehr in den Regionen Genf und Neuenburg war teilweise unterbrochen.

Erste Gewitter hatte es gestern schon am Morgen in den Kantonen Graubünden und Tessin gegeben.

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