In den Alpen spielt sich ein epochales Geschehen ab: Gebirgsflüsse wie der Rotten im Oberwallis führen derzeit so viel Schmelzwasser wie selten: «Auf dem Höhepunkt der Hitzewelle am Freitag mass man bei Brig 242'000 Liter Wasser pro Sekunde», staunt sogar der Hydrologe David Volken, wenn er die aktuellen Brennpunkte inspiziert: «An den meisten Messstellen ist es doppelt so viel wie zu der Jahreszeit üblich.»
Heiss stösst auf Eis
Der Bund gab für den Rotten zwischen Brig und Bex eine Hochwasserwarnung der Stufe 2 heraus. Sie gilt einstweilen noch bis Montagabend, 18 Uhr.
Grund für dieses seltene Phänomen sind die grossen Schneemengen des vergangenen Winters in Kombination mit der anhaltenden Hitzewelle. Selbst in höher gelegenen Siedlungen wie etwa in Simplon Dorf wurden mit 31 Grad ungewöhnlich hohe Temperaturen gemessen.
«Im Nordtessin und den Bündner Südtälern wurden mit Unterstützung des Nordwindes bisherige Temperaturrekorde pulverisiert», weiss Wasserkundler Volken. Laut Meteo Schweiz erlebt das Land den zweitheissesten Juni seit Messbeginn. Häufigere Hitzewellen seien ein «ganz klares Signal der laufenden Klimaänderung».
Keine Alpengletscher mehr Ende des Jahrunderts
Wegen der Hitze schmolz die Schneedecke besonders schnell: Wurden etwa auf dem Weissfluhjoch Ende Mai fast drei Meter Schnee gemessen, sind es heute noch 65 Zentimeter. Mit der beschleunigten Schneeschmelze verlieren die Gletscher ihren letzten Schutz vor den warmen Temperaturen: «Jetzt schon sind tiefer gelegene Gletscherbereiche aper und verlieren Masse», erklärt Volken.
Aus Modellrechnungen geht hervor, dass ein Grossteil der Alpengletscher bis Ende des Jahrhunderts weitgehend verschwunden sein werden. Auch Abflussspitzen, wie sie derzeit in Flüssen gemessen werden, gehören dann der Vergangenheit an. Wie sich das auf die Region auswirken wird, weiss niemand.