Hat die Taskforce den Nutzen des Lockdowns überschätzt?
Auf die Übersterblichkeit folgt Untersterblichkeit

Seit sieben Wochen herrscht bei über 65-Jährigen eine Untersterblichkeit. Hat die Taskforce den Nutzen des Lockdowns womöglich überschätzt? Kritiker sagen, die Expertengruppe des Bundes sei von falschen Annahmen ausgegangen.
Publiziert: 18.04.2021 um 02:44 Uhr
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Aktualisiert: 18.04.2021 um 09:02 Uhr
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Ging die Covid-Taskforce des Bundes von einer zu hohen Lebenserwartung von über 65-Jährigen aus?
Foto: Keystone

Derzeit sterben in der Schweiz deutlich weniger ältere Menschen als erwartet. Auf die Übersterblichkeit während der Corona-Pandemie folgt jetzt eine sogenannte Untersterblichkeit. Seit Mitte Februar sind in der Altersgruppe von 65 Jahren und älter demnach deutlich weniger Personen als während normalen Zeiten verstorben.

Laut dem Bundesamt für Statistik (BFS) kam es bei den über 65-Jährigen in den letzten sieben Wochen zu 15 Prozent weniger Todesfällen, wie die «Sonntagszeitung» berichtet. Dies nach der starken Übersterblichkeit von 26 Prozent beziehungsweise 47 Prozent in der ersten Covid-Welle im letzten Frühling respektive später in der zweiten Welle ab Ende Oktober.

Das kann mehrere Gründe haben: Möglicherweise wirken die Corona-Massnahmen und es zeigt sich ein erster Impferfolg. Das BFS erklärt die Untersterblichkeit mit dem Ausbleiben einer Grippewelle in diesem Winter. Zudem seien die Corona-Opfer in der zweiten Welle so alt und krank gewesen, dass Covid-19 ihr Leben nur um Wochen verkürzte.

Übersteigt Nutzen eines Lockdowns die Kosten?

Das veranlasst jetzt Ökonomen zur These, dass die Lockdown-Massnahmen des Bundesrats auf falschen Berechnungen beruhten. So sagt Konstantin Beck, Gesundheitsökonom und Titularprofessor an der Universität Luzern, die Annahmen der Covid-Taskforce des Bundes zur Lebenserwartung seien «unplausibel hoch».

Beck hält die von der Taskforce angenommene Restlebenserwartung für die über 65-Jährigen für «massiv überschätzt»: «Die Zahl der gemäss Taskforce geretteten Lebensjahre reduziert sich bei Verwendung realitätsnaher Werte um drei Viertel.» Folglich würde das auch den Nutzen des Lockdowns stark reduzieren.

Die Taskforce war im Januar zum Schluss gekommen, dass der Nutzen eines Lockdowns die Kosten rechtfertige. Der in Geldwerte umgerechnete Nutzen von gewonnenen Lebensjahren übersteige die Kosten von wirtschaftlichen Massnahmen, lautete die Einschätzung.

Knackpunkt Über- und Untersterblichkeit

Dabei rechnete auch die Taskforce vor, dass jeder zusätzliche Tag, an dem das Land nicht zu einer normalen Situation zurückkehren kann, die Schweiz zwischen 25 und 110 Millionen Franken an Einkommen kosten könnte.

Dass diese Kosten unverhältnismässig seien im Vergleich zu den durch einen Lockdown verursachten Einbussen, davon geht auch ein Rechtsgutachten aus, das Gastrosuisse in Auftrag gegeben und diese Woche veröffentlicht hat.

Über- und Untersterblichkeit könnten nicht genau eruiert werden, hält das Gutachten fest – und folgert: «Solange keine Übersterblichkeit vorhanden ist, rechtfertigen sich einschneidende Massnahmen wie Betriebsschliessungen kaum.» (kes)

Lockerungsschritte nur alle 4 Wochen!
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Taskforce-Präsident empfiehlt:Lockerungsschritte nur alle 4 Wochen!
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