Halil Yarasir (29) sitzt wieder. Der kurdischstämmige Türke aus Biel BE ist zurück im Knast. Diesmal im Regionalgefängnis Thun BE. Vor rund einem Jahr war Yarasir einfach davongelaufen. Er kehrte nach einem Urlaub nicht mehr ins Berner Massnahmenzentrum St. Johannsen bei Le Landeron NE zurück (BLICK berichtete). Yarasir floh, weil ihm die Ausschaffung drohte.
Das Berner Obergericht hat Halil Yarasir 2009 zu drei Jahren und vier Monaten Haft verurteilt. Wegen Raubes. «Ich hatte ein Messer, brauchte Geld für Drogen», sagt er heute. Das Gericht hat die Strafe damals zugunsten einer stationären Massnahme aufgeschoben. Therapie in St. Johannsen. Im selben Jahr teilte das Migartionsamt Yarasir mit, dass er ausgeschafft werden soll. «Ich hatte Angst, ich müsse in der Türkei ins Militär.»
Halil macht seine Lehre zum Gärtner und seine Therapie im St. Johannsen. Kurz vor der Diplomfeier im Sommer 2012 aber nahm man ihm den Pass ab. Fluchtgefahr. «Da bin ich erst recht abgehauen», sagt er. «Ich hatte mir für die Flucht sogar einen Pass besorgt. Einen tschechischen. Aber den wollte gar niemand sehen.»
Er flüchtete nach Deutschland, erst nach Essen, dann nach Duisburg. Zu Verwandten. «Ich habe für 1300 Euro im Monat in einer Shisha-Bar gearbeitet», sagt er. «Die Flucht war ein Fehler. Jetzt läuft die Bürokratie – wer weiss, wie lange ich noch hier bleiben muss. Aber vielleicht war es Schicksal. Ich hätte sonst meine Verlobte nie kennengelernt.»
Diesen April reiste er zurück in die Schweiz, am 1. Mai wurde er verhaftet.
«Derzeit laufen die Abklärungen, ob die stationären Massnahmen bei ihm weitergeführt oder aufgehoben werden», sagt Markus D’Angelo, Leiter der Abteilung Straf- und Massnahmenvollzug des Kantons Bern. «Ein medizinischer Bericht fehlt noch, um darüber zu entscheiden.»
Therapien aber will Yarasir keine mehr. Die hätten ihm nichts gebracht. «Da kommt eine 22-jährige Psychologin, die mir erzählen will, wie das Leben funktioniert. Ich sass mit 19 schon im Thorberg, hab pokern gelernt um Zigaretten. Und so eine will mir vom Leben erzählen?» Er habe ein Suchtproblem, sagt Yarasir. Mit 13 habe er zum ersten Mal Kokain genommen, mit 15 Heroin geraucht. «Aber in St. Johannsen wurde ich wegen Gewalt therapiert. Das hat mich überhaupt nicht weitergebracht.»
Markus D’Angelo widerspricht. «Wir waren vor einem Jahr der Meinung, dass die stationäre Massnahme bei ihm gewirkt hatte. Auch wenn er selber das nicht so sieht: Man kann sich in St. Johannsen nicht dauernd erfolgreich verstellen.»
Halil Yarasir aber hätte lieber im Knast geschmort. Das erklärt er BLICK bei einem Besuch im Gefängnis in Thun. Dort sitzt er in einer Einzelzelle und wartet. Und hofft. Denn nun hat sich seine Meinung geändert: «Ich habe einen Traum: Ich will endlich ausgeschafft werden. Hätte man mich sofort ausgeschafft, hätte ich in der Türkei vielleicht schon ein Imperium aufgebaut! Aber ich komme erst an zweiter Stelle. An erster Stelle stehen die Steuerzahler.» Und überhaupt: «Was sollen Massnahmen für Ausländer, die danach sowieso ausgeschafft werden? Das ist doch bloss vergeudete Zeit.»
Ein Aufseher klopft an die Zellentür. Es ist 10.30 Uhr. Er bringt das Mittagessen. Pouletschenkel, Gemüse, ein Krüglein Tee. «Am Wochenende gibts Eistee», schwärmt Halil Yarasir. «Das Essen hier ist sehr gut. Viel besser als in St. Johannsen.»
«Im Gefängnis bin ich ein richtiger SVP-Ausländer geworden», sagt Halil Yarasir. «Meine Eltern haben hart gearbeitet, mir alles ermöglicht. Ich hatte mehr als genug Chancen in der Schweiz. Und ich habe nichts daraus gemacht. Christoph Blocher, Toni Brunner, mit all denen bin ich einverstanden. Meine Traumfrau ist Natalie Rickli!»
Dass Yarasir noch einmal flüchtet, ist eher unwahrscheinlich. Anders als in St. Johannsen ist aus dem Regionalgefängnis Thun noch nie jemand getürmt.