«Gut für Menschen ohne Kinder, Humor und Moral»
Darum meiden deutsche Ärzte die Schweiz wirklich

Wir sind auf Mediziner aus dem Nachbarland angewiesen. Doch viele deutsche Ärzte zögern hierherzuziehen. Kollegen raten ihnen ab.
Publiziert: 17.01.2017 um 15:19 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 03:53 Uhr
Man müsse sogar das einheimische Kauderwelsch lernen, um mit den Schweizern zu kommunizieren, moniert ein deutscher Arzt.
Foto: AJ_Watt

Fast jeder fünfte Arzt in der Schweiz kommt aus Deutschland: Sie sind ein fester Bestandteil unseres Gesundheitswesens. Doch so sehr die deutschen Mediziner als Fachkräfte geschätzt sind – im Alltag werden sie nicht überall herzlich empfangen.

Dies zeigen Erfahrungsberichte im für die Öffentlichkeit geschlossenen Mediziner-Forum Coliquio, in das die «Neue Zürcher Zeitung» einen Einblick erhalten hat. Dort warnen deutsche Mediziner ihre Kollegen vor einem Umzug in die Schweiz. Zwar seien Lohn und Arbeitsbedingungen besser – doch privat sehe das anders aus, schreiben mehrere.

Ein Zahnarzt berichtet, seine Kinder seien in der Schule als «blöde Nazis» beschimpft worden. Eine Ärztin findet: «Die Schweiz ist gut für Menschen ohne Kinder, Humor und Moral, die ist durch Geld ersetzt.» Und ein anderer schreibt, die Schweizer «mögen gar keine Ausländer in ihrem Land».

Ärztemangel seit MEI-Annahme verschärft

Auch die Sprachbarriere wird kritisiert: Hochdeutsch sei inzwischen eine Fremdsprache, moniert ein Arzt, der zwei Jahre in einem Schweizer Spital tätig war. Man müsse das einheimische Kauderwelsch sprechen, um mit den Patienten kommunizieren zu können.

Schon länger zögern deutsche Ärzte – doch die Annahme der SVP-Zuwanderungsinitiative 2014 hat die Situation offenbar noch verschärft. Die Schweizer Firma B-plus, die Ärzte rekrutiert, sagt zur «NZZ», es sei «deutlich schwieriger» geworden, Deutsche für Schweizer Stellen zu finden. 

Um den Fachkräftemangel abzufedern, holen Rekrutierungsfirmen darum Ärzte aus Ost- und Südeuropa: In den letzten fünf Jahren ist die Zahl der Mediziner aus Ländern wie Griechenland, Ungarn, Polen oder Rumänien stark angestiegen. (rey)

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