Am 26. Februar 2010 checkt Gustav G.* (63) mit seinem Sohn Florian (4) ins Nobelhotel Krone in Winterthur ein. Auf seinem Zimmer betäubt er den Buben zuerst mit einem Schlafmittel und erstickt ihn schliesslich.
«Ich war in einem schlimmen Zustand»
Für diese Tat muss sich G. seit Mittwochmorgen vor dem Bezirksgericht Winterthur verantworten. An jenem Tag, als er das Kind tötete, sei er «in einem schlimmen Zustand» gewesen, sagt der Beschuldigte im Gerichtssaal.
Was genau passierte, will er aber nicht ausführen. Weder bei der Polizei noch bei der Staatsanwaltschaft, noch bei der Befragung vor Gericht. G. bleibt merkwürdig emotionslos bei seinen Aussagen.
Die Mutter des getöteten Kindes, die im Gerichtssaal anwesend ist, verliert hingegen die Fassung und beschimpft den Angeklagten. Marciana G.* (38) wirft sogar einen Stift nach ihm.
Staatsanwalt will Verwahrung
Für den Staatsanwalt ist der Fall klar: G. habe das Kind getötet, um es der Mutter, mit der er um das Sorgerecht stritt, für immer zu entziehen. Offenbar hatte G. Angst, Marciana könnte Florian in ihr Heimatland Brasilien bringen.
Tötete G. seinen Sohn schlicht aus Rache an der Ex? Der Ankläger fordert für G. wegen des «skrupellosen» Mordes eine lebenslange Freiheitsstrafe und zudem die Verwahrung.
G. ist geständig - grundsätzlich
G. selbst ist geständig, gibt zu, dem Knaben Schlafmittel gegeben zu haben. Auf die Frage, ob er Florian getötet habe, sagt der Beschuldigte: «Ich kann das sicher nicht abschieben.» Ob er ihn erstickt habe, kann oder will er nicht sagen. G. bestreitet auch jegliche Planung der Tötung.
Wer trägt die Verantwortung für Florians Tod? «Ich bin an dem beteiligt», gibt der 63-Jährige zu. «Ich war in einer Paniksituation, ich wusste selber nicht weiter», sagt er über die Situation im Hotelzimmer.
Sein Pflichtverteidiger verlangt vor Gericht ein neues psychiatrisches Gutachten. Es soll abgeklärt werden, ob G. zum Zeitpunkt der Tat am Asperger-Syndrom, einer leichten Form von Autismus, gelitten habe. Das wäre ein möglicher Strafmilderungsgrund. Ob das Gericht ein neues Gutachten zulässt, ist noch unklar.
Experte sieht kein Asperger-Symdrom
Ein Psychiater, der sich bereits mit dem Fall befasst hat, sagt vor Gericht, G. leide zwar an einer paranoiden, narzisstischen Persönlichkeitsstörung - nicht aber «im Entferntesten» am Asperger-Syndrom.
Der Angeklagte, so der Experte, sei denn auch «voll handlungsfähig» gewesen. Weiter meint er, bei der Tat habe es sich nicht um eine «Impulshandlung» gehandelt.
Dagegen spreche nur schon die Tatsache, dass er einen Feuerlöscher mitgebracht habe, um sich nach dem Tötungsdelikt selber zu ersticken.
G. sei «nicht therapierbar», sagt der Psychiater ausserdem. «Der Wille dazu fehlt.»
Harte Kindheit
Der 63-Jährige selbst schildert am Prozess seine harte Kindheit auf einem Urner Bauernhof, seinen ersten Suizidversuch mit einem inszenierten Autounfall und seine erste Ehe, die geschieden wurde.
«Damals sind wüste Szenen passiert», sagt der Beschuldigte, der im Faserpelz und in einer Windjacke vor Gericht erschien.
Bereits ein Mordversuch
Die wohl schlimmste «wüste Szene» war der Mordversuch an seinem damals 13-jährigen Sohn, den er erst erwürgen und danach - als dies nicht klappte - mit einem Ast erschlagen wollte. Offenbar befürchtete er auch in diesem Fall, dass ihm die Mutter das Kind wegnehmen könnte. Der Knabe überlebte körperlich behindert und sitzt heute ebenso im Gerichtssaal.
Morgen Nachmittag wird der Prozess mit den Plädoyers fortgesetzt. (bau/btg/noo/SDA)