Herr Glättli, das Volk sagt Nein zum CO2-Gesetz. Gleichzeitig ist die Schweiz aber dazu verpflichtet, bis 2050 klimaneutral zu werden. Ist dieses Ziel noch zu erreichen?
Balthasar Glättli: Ja. Aber wir Grüne sagen – wie die Wissenschaft – klar: Das genügt nicht. Unser CO2-Budget ist vorher aufgebraucht. Wir müssen viel schneller runter mit dem Ausstoss von Treibhausgasen.
Das ist politisch kaum machbar. Die Grünen haben das CO2-Gesetz naserümpfend mitgetragen, eine Mehrheit fand es dennoch nicht.
Nicht naserümpfend – sondern überzeugt. Aber wir machten ehrlich klar: Die Vorlage ging nicht weit genug. Das Problem an der Urne war aber, dass das Gesetz zu kompliziert war. Das bot eine zu grosse Angriffsfläche. Und es gelang uns Befürwortern bis zum Schluss nicht, den Mechanismus einer Lenkungsabgabe zu erklären. Wir stritten über die zwölf Rappen der Benzinabgabe statt über die Milliarden, die man hätte investieren können!
Und warum hat man die Grünen im Abstimmungskampf kaum wahrgenommen?
Diejenigen, welche die Grünen wahrnehmen sollten, haben uns wahrgenommen. Wenn der Widerstand gegen einen Kompromiss von rechts kommt, bringt es wenig, einer Vorlage ein grünes Etikett zu verpassen. Wir haben eine intensive Kampagne gegen innen geführt. Zwei Parteien haben am Ende optimal mobilisiert: die Grünen und leider die SVP.
Die Kampagne ist das eine, aber wie konnte die SVP eine Allianz besiegen, die von den Grünen über die SP und die Mitte bis zum Freisinn reichte?
Die Mobilisierung durch die Agrar-Initiativen nützte dem Nein-Lager.
Also war es falsch, die drei Vorlagen am selben Abstimmungssonntag vorzulegen.
Das hat uns sicher nicht gestärkt. Kommt hinzu, dass die Skepsis gegenüber Behörden im Kontext von Corona gestiegen ist. Es war nicht möglich, in der Pandemie miteinander zu diskutieren. Ein virtuelles Podium kann das nie und nimmer ersetzen. Stattdessen wachsen die Blasen im Internet, das macht mir Sorgen.
Welche Alternativen zur gescheiterten Vorlage sind nun möglich?
In einem ersten, schnellen Schritt müssen die unumstrittenen Teile rasch umgesetzt werden. Die Möglichkeit, dass grosse Unternehmen keine CO2-Abgabe zahlen, wenn sie dafür ihren Ausstoss reduzieren, würde ab 1. Januar 2022 wegfallen. Das will niemand in diesem Parlament. Dass der Treibstoffverbrauch der importierten Autos sinken muss, ist ebenfalls mehrheitsfähig.
Und weiter?
Spätestens im August muss der Bundesrat zur Gletscher-Initiative Stellung beziehen. Bis jetzt wollte er einen direkten Gegenvorschlag präsentieren. Da stimmt das Volk über die beiden Varianten ab. Wir Grüne schlagen nun aber vor, einen indirekten Gegenvorschlag auszuarbeiten: ein neues CO2-Gesetz sozusagen. Falls dieses Gesetz griffig genug ausfällt, könnten die Initianten, zu denen ich gehöre, die Gletscher-Initiative zurückziehen.
So wollen Sie die Niederlage rückgängig machen?
Ich will weder die Niederlage schönreden, noch kann ich die dadurch verlorene Zeit zurückdrehen. Für das Klima und die Biodiversität war der 13. Juni ein schwarzer Tag. Das Parlament muss nun rasch andere Massnahmen beschliessen. Die Gletscher-Initiative ist bereits eingereicht und bietet uns daher genau diese Chance.
Sind die Verlierer der letzten Abstimmung überhaupt in der Position, eine neue, radikale Lösung zu verlangen?
Was heisst denn radikal? Der Pariser Klimavertrag ist bindend, gegen ihn wurde 2017 kein Referendum ergriffen. Vor einer Woche scheiterte einzig das Massnahmenpaket im CO2-Gesetz.
Womit das Pariser Abkommen die Nagelprobe an der Urne eben nicht bestanden hat!
Diese Umsetzung ist durchgefallen, das kann niemand schönreden.
Auch ein griffiger Gegenvorschlag zur Gletscher-Initiative würde etwas kosten. Und die Bevölkerung will das nun einmal nicht bezahlen.
Die SVP gewann, weil sie sagte: Die Mieten steigen und Autofahren wird teurer. In einem neuen Anlauf müssen wir als Gemeinwesen handeln. Also: Gibt eine Erdölheizung den Geist auf, finanziert der Staat die Mehrkosten für eine Wärmepumpe vor und kann im Gegenzug Mietzinserhöhungen verhindern. Solches gehört in den Gegenvorschlag.
Und beim Benzin?
Der Bund muss auch auf dem Land Carsharing fördern. Noch gewagter: Wenn jemand auf dem Land auf ein Auto angewiesen ist, könnte in Zukunft der Staat ihm das Null-Prozent-Leasing eines Elektroautos ermöglichen. Die Anschaffung von E-Autos ist teuer, der Betrieb günstiger.
Das sind grosse Pläne. Zugleich legen Umfragen nahe, dass gerade die Jungen, auf die Sie sich so oft berufen, Ihnen vor einer Woche nicht gefolgt sind.
Es gibt Junge und Junge. Natürlich ticken viele Jugendliche politisch anders als wir. Nicht alle Jungen machen beim Klimastreik mit!
Seit einem Jahr sind Sie nun Präsident der Grünen. Mit der Pandemie rückte der Wahlerfolg Ihrer Partei von 2019 rasch in den Hintergrund. Wie wollen Sie wieder aus diesem Tief herauskommen?
Das politische Ringen um Klimagerechtigkeit ist nun zentral, die Grünen sind voll dabei. Das Klima macht mir Sorgen. Der Zustand der Grünen nicht! Wir haben in den Kantonen seit 2019 jede Wahl und viele Mitglieder gewonnen. Und am Mittwoch wurde unser Vorstoss zur Förderung neuer erneuerbarer Energien im Umfang von drei AKW fast einstimmig gutgeheissen.
Bleiben die sogenannten Konkordanzgespräche über die Zusammensetzung des Bundesrats. Die sind gescheitert.
Das ist so. Dass eine Partei von sich aus einen Bundesratssitz abgibt, konnte auch niemand erwarten. Ich kämpfe für einen grünen Sitz im Bundesrat und zwar am liebsten auf Kosten der massiv übervertretenen FDP. Die Mitte müsste hier mithelfen. Im ureigenen Interesse. Sonst kommt sie selbst unter Druck.
Mitten in der Corona-Pandemie wählten die Grünen Balthasar Glättli (49) vor genau einem Jahr zum Präsidenten. Zuvor leitete der Zürcher Nationalrat sieben Jahre lang die Bundeshausfraktion der Partei. Glättli ist mit der SP-Nationalrätin Min Li Marti (47) verheiratet, das Paar hat eine Tochter.
Mitten in der Corona-Pandemie wählten die Grünen Balthasar Glättli (49) vor genau einem Jahr zum Präsidenten. Zuvor leitete der Zürcher Nationalrat sieben Jahre lang die Bundeshausfraktion der Partei. Glättli ist mit der SP-Nationalrätin Min Li Marti (47) verheiratet, das Paar hat eine Tochter.
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