Globuli-Gegner Beda Stadler (67) im Duell mit Alternativmedizinerin Gisela Etter (51)
Das Globuli-Duell: Akzeptierte Medizin oder fauler Zauber?

Sie ist ein medizinischer Zankapfel, trotzdem akzeptieren viele Patienten Homöopathie als seriöse Behandlungsmethode. Für viele Experten sind die Kügelchen hingegen plumper Humbug. BLICK bittet eine Homöopathie-Verfechterin und einen scharfen Kritiker zum Streitgespräch.
Publiziert: 21.04.2018 um 13:44 Uhr
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Aktualisiert: 08.10.2018 um 17:15 Uhr
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Ärztin Gisela Etter glaubt an die Wirkung der Homöopathie: «Ich und meine Patienten erleben es tagtäglich in meiner Praxis!»
Foto: Thomas Meier
Marco Latzer

Sind Globuli eine ernsthafte Alternative zur Schulmedizin oder plumper Hokuspokus? Die Debatte über Sinn und Unsinn der Homöopathie in der Schweiz ist neu entfacht. Denn: Die Gesundheitskosten steigen und steigen. Seit im letzten Jahr die Komplementärmedizin, zu der auch die Homöopathie gehört, in die Grundversorgung aufgenommen wurde, hat diese Zusatzkosten von 30 Millionen Franken verursacht (BLICK berichtete).

Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass weite Teile der Bevölkerung weiterhin überzeugt auf Globuli setzen. Komplementärmedizinerin Gisela Etter (51) ist von der Heilkraft der natürlichen Behandlungsmethoden überzeugt, Beda Stadler (67) hält als Verfechter der Schulmedizin vehement dagegen. Im BLICK liefern sich die beiden nun einen emotionalen Schlagabtausch.

BLICK: Frau Etter, die Homöopathie hat in den letzten Jahren ihren Siegeszug durch die Schweiz gefeiert. Ihre Wirkung gilt in Fachkreisen aber als höchst umstritten. Weshalb sind Sie von ihr derart überzeugt?

Gisela Etter: Die Homöopathie ist eine Heilmethode, welche den Menschen mit seiner Krankheit behandelt. Und die Krankheit nicht isoliert betrachtet. Sie gehört zur konventionellen Medizin, ist schnell, sanft und nachhaltig. Die Homöopathie hat das Potenzial, die Gesundheitskosten in den Griff zu bekommen.

BLICK: Herr Stadler, Sie sind als vehementer Homöopathie-Kritiker bekannt. Frau Etter kann ihr gar Sparpotenzial abgewinnen. Das tönt doch gut?

Beda Stadler: Nein, es gibt wahrscheinlich sogar horrende Folgekosten. Denn die Homöopathie ist mit allergrösster Wahrscheinlichkeit keine Heilmethode, sondern purer Glaube. Hippokrates würde sich wohl im Grabe umdrehen, wenn er mitbekommen würde, wie sehr ihn die Homöopathen missbrauchen. Es gibt Tausende Publikationen, die beweisen, dass Homöopathie nicht wirkt.

Etter: Wenn eine grosse Mehrheit der Bevölkerung erlebt, wie Homöopathie heilsam wirkt, dann ist das etwas Gutes. Es gibt wiederum Studien, die ihre Wirkung belegen. Ausserdem erleben ich und meine Patienten die Wirkung tagtäglich in meiner Praxis. Gerade deshalb ist die Homöopathie derart beliebt.

Die Homöopathin

Gisela Etter (51) ist Fachärztin für Allgemeine Innere Medizin und verfügt über einen Fähigkeitsausweis SVHA für Homöopathie. In Richterswil ZH betreibt sie ihre eigene Praxis. Daneben fungiert Etter als Präsidentin der Union Schweizerischer komplementärmedizinischer Ärzteorganisationen. Sie setzt sich für eine integrative Homöopathie zum Wohl aller Patienten ein und kämpft für deren Akzeptanz.

Gisela Etter (51) ist Fachärztin für Allgemeine Innere Medizin und verfügt über einen Fähigkeitsausweis SVHA für Homöopathie. In Richterswil ZH betreibt sie ihre eigene Praxis. Daneben fungiert Etter als Präsidentin der Union Schweizerischer komplementärmedizinischer Ärzteorganisationen. Sie setzt sich für eine integrative Homöopathie zum Wohl aller Patienten ein und kämpft für deren Akzeptanz.

Stadler: Das ist doch kein Argument. Die Bevölkerung liebt auch Zucker wie verrückt. Gesund ist er deswegen noch lange nicht. Sie lügen, indem Sie sagen, dass diese Kügelchen wirken. Da hat es nachweislich fast nichts drin. Die Faktenlage ist da eindeutig. Ich bin einfach total erstaunt, dass es weiterhin so viele studierte Mediziner gibt, die diesen Unsinn glauben.

BLICK: Wir haben viele Leserbriefe von Globuli-Befürwortern erhalten. Dass die Bevölkerung auf Homöopathie steht, ist nicht von der Hand zu weisen.

Stadler: Das ist doch alles ein fauler Zauber. Im besten Fall wirkt Homöopathie gleich gut wie ein Placebo. Diesen Effekt bringt auch jedes «normale» Medikament. Da kann man doch nicht von einer Wirkung sprechen. Für mich ist klar: Leute, welche die Homöopathie mögen, sind einfach zufrieden mit dem Placebo-Effekt.

Etter: Das stimmt so nicht. Die Wirksamkeit der Homöopathie konnte sowohl in Versorgungsstudien, in randomisierten kontrollierten Studien sowie in Meta-Analysen und Grundlagenforschung belegt werden.

Stadler: Ich könnte geradeso gut versuchen, aus einem Reformierten einen Katholiken zu machen. Das sind Glaubenssätze. Sie können das alles gar nicht belegen. Wenn Sie an die Homöopathie glauben, ist das Ihre Sache. Aber warum soll ich für Ihren Glauben bezahlen?

Der Globuli-Gegner

Beda Stadler (67) ist emeritierter Professor und ehemaliger Direktor des Instituts für Immunologie der Universität Bern. Landesweite Bekanntheit erlangte er als Diskussionsteilnehmer und Kolumnist für gesundheitliche Themen. Neben seiner Kritik an der Homöopathie trat der Biologe als Verfechter der Gentechnik und Impf-Befürworter in Erscheinung. Stadlers Thesen gelten zuweilen als provokativ.

Beda Stadler (67) ist emeritierter Professor und ehemaliger Direktor des Instituts für Immunologie der Universität Bern. Landesweite Bekanntheit erlangte er als Diskussionsteilnehmer und Kolumnist für gesundheitliche Themen. Neben seiner Kritik an der Homöopathie trat der Biologe als Verfechter der Gentechnik und Impf-Befürworter in Erscheinung. Stadlers Thesen gelten zuweilen als provokativ.

Etter: Laut den Krankenkassenzahlen fahren wir mit der Homöopathie in der Grundversorgung deutlich besser als ohne. Und das, obwohl es immer mehr schwerere Erkrankungen gibt. 

BLICK: Gemäss Auskunft von Santésuisse hat die Aufnahme der Homöopathie in die Grundversorgung zusätzliche Kosten von 30 Millionen Franken verursacht.

Stadler: Das sind nur die direkten Kosten, die man über Medikamente messen kann. Dazu kommt: Es schämen sich viele Ärzte, Homöopathie abzurechnen, stattdessen verbuchen sie es als Psychiatriekosten in der Schulmedizin. Und die Folgeschäden, wenn Leute deswegen zu spät zum Arzt gehen, sind da auch noch nicht enthalten.

Etter: Ich bin Grundversorgerin. Und wenn ich mit meinen Patienten genau schaue, wo der Schuh drückt, lässt sich das Leiden besser eingrenzen. Die Diagnostik ist zielgerichteter. Das heisst, es lassen sich teure Zusatzkosten für Nebenschauplätze verhindern. Zudem ist die Patientenbindung besser. Deshalb kann ich mit homöopathischer Medizin kostengünstiger arbeiten.

Stadler: Stopp jetzt. Es gibt keine Alternativmedizin, genauso wie es keine Alternativphysik gibt. Es ist ein Begriff, um Leute um ihr Geld zu bringen. Und das ist mein grösster Vorwurf an Sie: Auch wenn Sie es vielleicht gut meinen, letztlich zocken Sie diese Leute ab.

Etter: Wenn sich eine Erfahrungsmedizin über 200 Jahre halten kann, dann nur, wenn sie Wirkung zeigt. Der Bund hat sie in die Grundversicherung aufgenommen und der konventionellen Medizin gleichgestellt. Das spricht dafür, dass die Homöopathie in der Praxis wirkt.

Stadler: Nein, das spricht einfach gegen die Schweiz. Weil wir das einzige Land sind, das so eine verrückte Sache gemacht hat.

«Lieber Fakten als Glauben»

Die Sonne dreht sich nicht um die Erde. Die Welt wurde nicht von Gott erschaffen. Krankheiten sind keine Strafe. Die Wissenschaft hat die Welt in den letzten paar Hundert Jahren entmystifiziert – zum Glück! Auch in der Medizin habe ich lieber Fakten als Glauben. Eigentlich versuche ich Medikamente zu vermeiden. Ab und zu mal eine Kopfwehtablette oder mal ein Schmerzmittel, wenn es mich beim Biken wieder mal auf den Latz gehauen hat. Auch die Kinder bekommen bei Fieber ein Zäpfchen. Meine Frau hat – gestand sie mir – es zwei Mal mit Chügeli probiert. «Hat aber nichts genützt», sagt sie. Kein Wunder. Homöopathie baut darauf auf, dass ein Wirkstoff desto stärker ist, je mehr er verdünnt wird. Im Vergleich ist das etwa so, wie wenn man einen Tropfen «Urtinktur» in den Bodensee kippen würde. Da kann man gleich zu Placebos greifen.

Thomas Benkö, stv. Chefredaktor Blick.ch

Die Sonne dreht sich nicht um die Erde. Die Welt wurde nicht von Gott erschaffen. Krankheiten sind keine Strafe. Die Wissenschaft hat die Welt in den letzten paar Hundert Jahren entmystifiziert – zum Glück! Auch in der Medizin habe ich lieber Fakten als Glauben. Eigentlich versuche ich Medikamente zu vermeiden. Ab und zu mal eine Kopfwehtablette oder mal ein Schmerzmittel, wenn es mich beim Biken wieder mal auf den Latz gehauen hat. Auch die Kinder bekommen bei Fieber ein Zäpfchen. Meine Frau hat – gestand sie mir – es zwei Mal mit Chügeli probiert. «Hat aber nichts genützt», sagt sie. Kein Wunder. Homöopathie baut darauf auf, dass ein Wirkstoff desto stärker ist, je mehr er verdünnt wird. Im Vergleich ist das etwa so, wie wenn man einen Tropfen «Urtinktur» in den Bodensee kippen würde. Da kann man gleich zu Placebos greifen.

Thomas Benkö, stv. Chefredaktor Blick.ch

Voll auf dem Kügeli-Trip

Ich bin weder alternativ noch Impfgegnerin. Ich hatte bis vor ein paar Jahren noch nie von Belladonna oder Ferrum phosphoricum gehört.

Bis zu jenem Tag im Herbst 2009, als mein sechs Monate alter Sohn Fieber hatte und ich den Arzt anrief. Ich bereitete mich schon darauf vor: Zäpfchen kaufen, dem schreienden Kind verabreichen. Es kam anders. «Geben Sie ihm Ferrum phosphoricum, alle drei Stunden fünf Kügelchen», sagte der Arzt.

Seitdem bin ich voll auf dem Kügelitrip. Hat ein Kind Bauchweh, Fieber, Schnupfen – in meiner Globuli-Hausapotheke finde ich das richtige Mittel. Und es wirkt! Es muss mir keiner kommen, das sei alles nur Einbildung. Wenn meine Tochter in der Nacht Fieber hat und ich ihr Globuli gebe, sinkt die Temperatur, und sie schläft ruhig weiter. Zäpfchen habe ich nach wie vor parat. Aber Globuli wirken für uns wunderbar.

Katia Murmann, Chefredaktorin Blick.ch

Ich bin weder alternativ noch Impfgegnerin. Ich hatte bis vor ein paar Jahren noch nie von Belladonna oder Ferrum phosphoricum gehört.

Bis zu jenem Tag im Herbst 2009, als mein sechs Monate alter Sohn Fieber hatte und ich den Arzt anrief. Ich bereitete mich schon darauf vor: Zäpfchen kaufen, dem schreienden Kind verabreichen. Es kam anders. «Geben Sie ihm Ferrum phosphoricum, alle drei Stunden fünf Kügelchen», sagte der Arzt.

Seitdem bin ich voll auf dem Kügelitrip. Hat ein Kind Bauchweh, Fieber, Schnupfen – in meiner Globuli-Hausapotheke finde ich das richtige Mittel. Und es wirkt! Es muss mir keiner kommen, das sei alles nur Einbildung. Wenn meine Tochter in der Nacht Fieber hat und ich ihr Globuli gebe, sinkt die Temperatur, und sie schläft ruhig weiter. Zäpfchen habe ich nach wie vor parat. Aber Globuli wirken für uns wunderbar.

Katia Murmann, Chefredaktorin Blick.ch

«Das ist die schlimmste Form der Abzocke»

Der Schweizer Biologe und ehemalige Direktor des Instituts für Immunologie an der Universität Bern, Beda Stadler (67), sprach sich in Kolumnen und Diskussionsrunden immer wieder gegen die Homöopathie aus. Doch der Fall der jungen Alina B. schockiert selbst den Experten.

BLICK: Sie sagten, sie fänden es bedauerlich, dass ein solches Vorgehen bei Krebs in der Schweiz nicht strafbar ist. Weshalb?
Beda Stadler:
Das ist die schlimmste Form der Abzocke. Viele Homöopathen nutzen die Verzweiflung dieser teils todkranken Patienten aus, um ihnen das Geld für irgendwelche Voodoo-Therapien aus der Tasche zu ziehen. Es ist ja bewiesen, dass Homöopathie Krebspatienten nicht heilen kann.

Aber warum lassen sich die Patienten dann auf eine solche Therapie ein?
Alternativ-Medizin funktioniert grundsätzlich wie eine Religion. Die Leute, die daran glauben, sind für Rationalität nicht mehr zugänglich. Bei uns in der Schweiz sind noch immer viele Menschen von der Wirkung der Homöopathie überzeugt. Daran sind nicht zuletzt die Krankenkassen schuld, die diesen Chabis noch bezahlen. Dabei beweist schon die Werbung für homöopathische Mittel, dass diese nicht wirken können.

Wie meinen Sie das?
Homöopathen bewerben ihre Mittel damit, dass sie keinerlei Nebenwirkungen haben. Vom biologischen Standpunkt aus kann aber ein Medikament, welches keine Nebenwirkungen hat, auch keine Wirkung haben. Trotzdem kaufen die Leute solche Mittel und denken sich, dass es – selbst wenn es nicht wirkt – zumindest nicht schadet. Das ist aber auch nicht richtig. Denn dem Portemonnaie schadet es bestimmt. 

Der Schweizer Biologe und ehemalige Direktor des Instituts für Immunologie an der Universität Bern, Beda Stadler (67), sprach sich in Kolumnen und Diskussionsrunden immer wieder gegen die Homöopathie aus. Doch der Fall der jungen Alina B. schockiert selbst den Experten.

BLICK: Sie sagten, sie fänden es bedauerlich, dass ein solches Vorgehen bei Krebs in der Schweiz nicht strafbar ist. Weshalb?
Beda Stadler:
Das ist die schlimmste Form der Abzocke. Viele Homöopathen nutzen die Verzweiflung dieser teils todkranken Patienten aus, um ihnen das Geld für irgendwelche Voodoo-Therapien aus der Tasche zu ziehen. Es ist ja bewiesen, dass Homöopathie Krebspatienten nicht heilen kann.

Aber warum lassen sich die Patienten dann auf eine solche Therapie ein?
Alternativ-Medizin funktioniert grundsätzlich wie eine Religion. Die Leute, die daran glauben, sind für Rationalität nicht mehr zugänglich. Bei uns in der Schweiz sind noch immer viele Menschen von der Wirkung der Homöopathie überzeugt. Daran sind nicht zuletzt die Krankenkassen schuld, die diesen Chabis noch bezahlen. Dabei beweist schon die Werbung für homöopathische Mittel, dass diese nicht wirken können.

Wie meinen Sie das?
Homöopathen bewerben ihre Mittel damit, dass sie keinerlei Nebenwirkungen haben. Vom biologischen Standpunkt aus kann aber ein Medikament, welches keine Nebenwirkungen hat, auch keine Wirkung haben. Trotzdem kaufen die Leute solche Mittel und denken sich, dass es – selbst wenn es nicht wirkt – zumindest nicht schadet. Das ist aber auch nicht richtig. Denn dem Portemonnaie schadet es bestimmt. 

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