Gesund und cool statt fett und ranzig
Hipster übernehmen Badi-Beizen

Schwimmen macht hungrig – und das ist neuerdings wunderbar: In vielen Badeanstalten geht der Trend zu einem modernen Gastronomie-Angebot.
Publiziert: 11.06.2017 um 11:47 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 02:38 Uhr
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Christoph Haller, Marco Beld und Fabienne Allemann (v. l.) von Bonsoir in der Berner Ka-We-De-Badi.
Foto: PETER GERBER
Moritz Kaufmann (Text) und Peter Gerber (Fotos)

Trockene Hotdog-Brötli, labb­rige Pommes, klebriges Schleckzeug: Schwimmen macht hungrig, doch das Badi-Essen hat einen miserablen Ruf. Immer häufiger allerdings zu Unrecht! Denn Szenebeizer haben die Badis in der Schweiz entdeckt.

Zum Beispiel in Bern. Letzten Sommer war der Schock noch gross, als die Sportgastro AG aufgab, die dem Eishockey-Meister SC Bern gehört. Sie betrieb in vier Bundesstadt-Badis ein Bistro, kam aber auf keinen grünen Zweig.

Bern wurde danach bei der Bonsoir GmbH vorstellig. «Die Stadt kam auf uns zu, weil sie keine Pächter fand. Deshalb konnten wir die Badi-Beizen zu attraktiven Kondi­tionen übernehmen», sagt Arci Friede (35) zu SonntagsBlick. «Als Gastrounternehmer haben wir eine Schwäche für vernachlässigte Orte.»

Friede ist Teil eines Kollektivs, das unter anderem den Club Bonsoir und das Hamburger-Restaurant Kung Fu Burger betreibt – zwei Institutionen der Berner Hipster-Szene. Seit diesem Jahr gehören auch drei Badeanstalten dazu, darunter das historische Freibad Ka-We-De. Erste Mission: hochwertiges Essen! «Wir wollten zuallererst das Niveau des Angebots verbessern», so Friede. Diesen Sommer sammle man noch Erfahrungen. «Die grosse Revolution kommt dann 2018.»

Schon länger dabei ist Rolf Hiltl (51), der in Zürich unter anderem das älteste vegetarische Restaurant der Welt führt. Vor drei Jahren übernahm er die Küche der Strandbäder Mythenquai in Zürich und Kilchberg ZH. «In der Bevölkerung gab es einen kleinen Shitstorm», erinnert sich Hiltl. Kein Fleisch, zu teuer! Hiltls Badi-Beiz wurde zum Politikum. «Dabei war für mich klar: Wenn man vegetarisches Essen ein wenig attraktiv präsentiert, ist die Nachfrage gross!» Hiltl sollte recht behalten. Er biete einen attraktiven Preis fürs Essen. Sogar Fleisch lässt er in seinen Badis zu: «Auf ausdrücklichen Wunsch der Behörden arbeiten wir mit einem Metzger, der bei schönem Wetter ausserhalb der Badi-Restaurants einen ­eigenständigen Wurstgrill betreibt.» Ein historischer Kompromiss für die Vegi-Pioniere! Die Würste verkauften sich übrigens weniger gut als erwartet, fügt Hiltl nicht ohne Genugtuung an. «Wir gehen davon aus, dass dies an unserem Buffet liegt.»

Der Trend zu coolem, qualitativ hochstehendem Badi-Essen beschränkt sich nicht auf die grossen Städte. In Baden AG führt Philipp Penelas (35) das Badi-Bistro in der dritten Saison. «Man kann das Geschäft nicht neu erfinden. Schnipo kann man nicht einfach so von der Karte streichen», so Penelas. «Aber man kann versuchen, mehr Stil und Qualität hineinzubringen.» Philipp Mutzner (40), der in Arbon TG das Strandbad in der zweiten Saison betreibt, verfolgt dasselbe Konzept: Badi-Klassiker, aber gut! Kartoffeln für die Pommes frites kommen aus der Ostschweiz, Felchen für die Fischknusperli aus dem Bodensee. Mutzner will nicht nur Badi-Gäste im Bikini anlocken, sondern auch ganz normale Gäste. Dass sich Badelatschen und Lederschuhe in seinem 1933 errichteten Strandbad vermischen, gehört zu Mutzners Konzept. «Es soll ein Treffpunkt sein – alle sind herzlich willkommen. »

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