Tod einer geschundenen Seiltänzerin
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Bärin Jambolina aus Arosa:Tod einer geschundenen Seiltänzerin

Gerettete Jambolina stirbt bei Zahn-OP im Arosa Bärenland
Tod einer geschundenen Seiltänzerin

Sie musste jahrelang im Tutu tanzen und Trottinette fahren. Nur Monate nach ihrer Rettung ist Jambolina nun tot.
Publiziert: 08.08.2021 um 09:50 Uhr
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Aktualisiert: 08.08.2021 um 20:05 Uhr
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Jambolina hätte sich einer Zahn-OP unterziehen müssen. Eigentlich ein Routineeingriff.
Foto: Veit Fritz
Camille Kündig

Der Ernst der Lage ist Pascal Jenny ins Gesicht geschrieben, als er die Stallungen verlässt: «Sie atmet nicht.»

Wenige Meter hinter dem Präsidenten der Bärenland-Stiftung in Arosa GR versuchen Tierärzte und Pfleger, Jambolina zu reanimieren. Sie beginnen eine Herzmassage, spritzen Medikamente, beatmen sie. Dreissig Minuten dauert der Kampf um das Leben der zwölfjährigen Braunbärin. Dann ist klar: Jambolina ist tot.

Rückblende auf Donnerstag, 9.30 Uhr: An der Mittelstation der Weisshornbahn im Bärenland, einem Park, der Tiere aus misslicher Haltung aufnimmt, schaut ein Dutzend Tierschützer, Spender und Journalisten, zu, wie Jambolina sich an den Stäben ihres Geheges den Rücken kratzt. Dann wandern ihre Tatzen neugierig unter dem Zaun hindurch in Richtung Kamera. Augenblicke später feuert Tierarzt Wolfgang Zenker den Narkoseschuss ab. Das Wildtier taumelt, tapst nervös im Kreis. Es sind seine letzten Minuten vor den Augen des Publikums.

Eigentlich ein Routineeingriff

Jambolina hätte sich einer Zahn-OP unterziehen müssen. Eigentlich ein Routineeingriff. Wie vor drei Jahren, als bei einem anderen Bären Zähne entfernt wurden, sollte auch diese OP von Arosa aus live über die sozialen Medien gestreamt werden.

Zirkus- und Restaurant-Bären wie Jambolina werden oft falsch ernährt. Manchmal gibt man ihnen zur Belustigung des Publikums Bier zu trinken. Sie werden in winzigen Käfigen gehalten, beissen aus Verzweiflung auf die Gitterstäbe. Das und ihr Futter beschädigt die Zähne massiv.

Am Donnerstag öffnet sich im Veterinärraum eine Metallpforte. Fünf Männer hieven das 100 Kilogramm schwere Bärenweibchen auf den OP-Tisch. Das medizinische Personal begutachtet sein Gebiss. Dann schlägt Tierarzt Zenker dem Bären plötzlich auf den Brustkorb, kurz darauf werden die Journalisten weggeschickt.

Wenig später eilt eine Mitarbeiterin weinend aus den Stallungen. Der Ort der Rettung war für Jambolina zur Stätte ihres Todes geworden. Eine vorherige Narkose hatte sie noch gut überstanden. Dass ein Tier unter Betäubung stirbt, sei selten, komme aber vor, sagt Zenker. «Eine Narkose birgt immer ein Risiko, sogar bei gesunden Individuen, und auch bei Menschen und Haustieren. Bei Wildtieren ist dieses höher, da wir wenig über ihre medizinische Vorgeschichte wissen», so der Tierarzt.

Während man sich bei Haustieren und Menschen an die Narkosetiefe «herantasten» könne, müsse ein Bär mit einem Narkosepfeil von Anfang an so intensiv anästhesiert werden, dass er keine Gefahr darstelle.

War die Dosierung zu hoch?

Derzeit lässt sich nur darüber spekulieren, warum Jambolina den Operationssaal nicht lebend verlassen hat. Eine Vorerkrankung? Traf der Narkosepfeil ein Blutgefäss? War die Dosierung zu hoch?

Olivier Glardon, oberster Tierarzt der Schweiz, sagt auf Anfrage: «Ich gehe nicht davon aus, dass das Team einen Fehler begangen hat. Bei Anästhesien von Wildtieren sind bestimmte Dosen vorgegeben, an die man sich generell hält.»

Stress hingegen könne das Risiko erhöhen. Haben die vielen Menschen, die für den medizinischen Eingriff vor Ort waren, das Tier nervös gemacht? Das «könne mit grosser Sicherheit ausgeschlossen werden», heisst es seitens des Bärenlands, das Team übe solche Situationen.

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Jambolina habe am Donnerstag keine Anzeichen von Stress gezeigt und sich sogar noch ausgiebig am Rücken gekratzt. Das täten Bären nur, wenn sie sich sicher und entspannt fühlen.

Das regionale Amt für Tiergesundheit sieht keinen Handlungsbedarf. Der Bär wird im Zürcher Tierspital obduziert. SonntagsBlick weiss: Mit Ergebnissen rechnet man im Verlauf der nächsten Woche.

Operation war notwendig

Tierarzt Wolfgang Zenker sagt, der Entscheid zur Operation sei trotz der Risiken richtig, der Eingriff wichtig gewesen. «Die Wurzelkanäle der Eckzähne von Jambolina lagen offen, und der Zahnhalteapparat war stark entzündet. Es ist davon auszugehen, dass sie starke Schmerzen hatte.» Auch eine Sterilisation war geplant. Dazu Olivier Glardon, der oberste Tierarzt des Landes: «Kranke Zähne können schlimmstenfalls die Nieren, Leber oder das Herz angreifen.»

Es war ein kurzes Glück für Jambolina. Erst Ende 2020 kam sie mithilfe der Organisation Vier Pfoten aus der Ukraine nach Arosa. Die letzten Meter bis in den auf 2000 Höhenmeter gelegenen Park legte Jambolina damals per Gondel zurück. Auf ihrer ersten Entdeckungstour nahm sie ein ausgiebiges Bad, am liebsten naschte sie Nüssli.

Zuvor hatte die Bärin jahrelang im Tutu auf einem Seil balancieren, Trottinett oder Velo fahren müssen. Als wegen Corona keine Vorstellungen mehr stattfanden, sperrte ihr Besitzer sie in eine Kiste und stellte sie in der Garage ab.

Vor kurzem hatte Jambolina ihr erstes «Date» mit Mitbewohner Meimo. Bärenland-Präsident Pascal Jenny: «So hätte sie noch zehn Jahre leben sollen.»

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