Fritz Bruderer (44) aus Münchwilen TG zeigt, wo sein Sohn Sascha († 18) über den Zaun stieg und unter dem Zug starb
Abkürzung in den Tod

Der Vater eilte zu seinem Sohn auf dem Bahntrassee. Erst nach dem Unglück sieht er, «dass da eine Art Trampelpfad ist».
Publiziert: 29.05.2012 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 28.09.2018 um 20:08 Uhr
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Fritz Bruderer (M.) leistete seinem Kind erste Hilfe.
Foto: LESERREPORTER 8989
Von Marlene Kovacs

Fritz Bruderer (44) war im Garten, als er den Pfiff des Zuges und dann einen dumpfen Knall hörte. «Ich hatte sofort ein ganz komisches Gefühl», sagt der Mechaniker aus Münchwilen TG. «Ich rannte zu den Gleisen. Und da sah ich ihn daliegen. Sascha. Meinen Sohn.»

Sascha († 18) wollte Bäcker werden. In einer Woche hätte er seine Lehrabschlussprüfung gehabt. Er mochte den Job, Autos, Musik. Ein normaler Teenager.

Am Samstagnachmittag, um 15 Uhr, will Sascha Freunde treffen. Er startet seinen iPod, klettert über den Zaun im Garten. Sascha, Fan des US-Rappers 50 Cent und der Punkrock-Band Green Day, will die Abkürzung in den Ort nehmen. Über die Schienen der Frauenfeld-Wil-Bahn.

1000-mal hat er das schon gemacht. «Viele im Quartier gehen da lang. Vor allem die jungen Leute», weiss Nachbar Markus Laubacher (66). «Obwohl es wahnsinnig gefährlich ist. Ich habe immer wieder gewarnt, erklärt, dass da ein schlimmes Unglück passieren kann. Aber die Leute haben mich ignoriert. Nur gegrinst.»

 Sascha Bruderer tritt auf das Gleis. Er sieht den Zug nicht kommen, wird erfasst. Nur wenige Meter von zu Hause entfernt. 

«Er hat die Bahn sicher wegen der Musik aus dem iPod nicht gehört», sagt sein Vater. «Er hatte den Kopfhörer noch neben sich, als ich ihn auffand.»

Sascha blutet aus einer Wunde am Kopf. «Er war ohnmächtig, atmete ganz komisch», erzählt Fritz Bruderer. «Der Lokführer und ich drehten ihn dann auf die Seite, er sollte besser atmen können.»

Eine Ärztin, die als Passagierin im Zug gesessen hatte, versuchte das Leben von Sascha zu retten. «Jemand rief dann die Polizei und  die Ambulanz», erinnert sich der Vater. «Aber noch bevor sie da war, starb Sascha.»

«Es ist fürchterlich schwer für uns. Ich weiss noch nicht, wie wir das verarbeiten können. Ich wusste nicht, dass er über den Zaun klettert, um den Weg abzukürzen. Ich sagte ihm in der Vergangenheit ganz klar, dass das verboten ist, so Fritz Bruderer. «Erst jetzt habe ich gesehen, dass da eine Art Trampelpfad ist. Aber Sascha war 18, wollte sich von mir nicht mehr alles vorschreiben lassen», sagt Fritz Bruderer.

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