Jessica M.* (†13) aus Wuppenau TG stürzte im Oktober 2011 bei einem Kletterausflug bei Adelboden BE in den Tod. Das Mädchen war auf dem steilen Weg zur Cholerenschlucht nicht mit einem Seil gesichert. Bergführer Martin M.* (46) stand deshalb wegen fahrlässiger Tötung in Thun BE vor Gericht (BLICK berichtete).
Gestern nun das Urteil: Freispruch! Nach Ansicht der Richterin machte Martin M. beim Kletterausflug mit Jessica und ihrer Freundin Anissa A.* (damals 12) alles richtig. «Es war ein tragischer Vorfall», sagte sie zum Bergführer. «Sie nahmen die psychische und physische Beurteilung der Mädchen korrekt vor.»
Die beiden Mädchen waren unerfahren am Berg, am Morgen hatten sie in einem Seilpark geübt. «Sie sagten den Mädchen, sie sollten vorsichtig beim Abstieg sein», so die Richterin. «Jessica stolperte dann. Das ist ist jederzeit möglich. Das Risiko, dass man wie Jessica seitlich stürzt, ist sehr klein.»
Jessica's Familie am Boden zerstört
Die Familie von Jessica M. ist am Boden zerstört. «Das hat Jessica nicht verdient», sagte ihre Halbschwester Magaly C.* (28), die gestern als einzige der Familie der Urteilsverkündung beiwohnt. Sie vermutet: «Ein Schuldspruch wäre für das Berner Oberland negativ gewesen. Die Region lebt ja von solchen Abenteuer-Angeboten.»
Die Eltern von Jessica und ihre andere Schwester waren gestern nicht erreichbar. Sie haben keine Kraft mehr. «Ich kämpfe noch immer jede Nacht um Schlaf», sagte Jessicas Vater Gian Andrea M.* noch am ersten Prozesstag zu BLICK.
Bergführer liess Alessia im Bach liegen
Jessica M. stürzte 50 Meter in die Tiefe der Cholerenschlucht. Sie landete im reissenden Tschentbach. Fünf bis sechs Minuten lag das Mädchen da, das Gesicht im Wasser. Jessica ertrank jämmerlich.
Martin M. brachte zunächst Alessia in Sicherheit, erst dann machte er sich auf den Weg zu Jessica. Doch als er und die Rettungskräfte eintrafen, war es zu spät. Das Mädchen starb auf dem Rettungsflug ins Spital.
Harsche Kritik von Anwälten
Noch offen ist, ob die Anwälte von Jessicas Familie das Urteil weiterziehen. Sie hatten den Gutachter, der auch Bergführer ist, scharf kritisiert und für befangen erklärt. «Wenn etwas vorhersehbar und vermeidbar ist, dann ist es nicht schicksalshaft», sagte der Anwalt von Jessicas Mutter, Christoph Spahr, nach dem Urteil BLICK. Martin M. bekommt eine Entschädigung von knapp 17'000 Franken für seine Anwaltskosten.
*Namen der Redaktion bekannt