Am Montag versetzte eine Nachricht die Welt in helle Aufregung: Pfizer und Biontech, zwei Schwergewichte der Impfbranche, sollen den ersten hochwirksamen Impfstoff gegen das Coronavirus entwickelt haben – mit einer Schutzwirkung von über 90 Prozent.
Steve Pascolo (55), Immunologe an der Universität Zürich, sieht es positiv: «Der Jubel ist berechtigt. Die Nachrichten diese Woche sind sehr gut, die Freude ist entsprechend gross.» Man sei nun fast am Ziel. Eine Überraschung sei die Erfolgsmeldung allerdings nicht: «Die Chancen standen gut, dass wir in diesem Jahr einen Impfstoff kriegen. Die Ergebnisse im Sommer sahen vielversprechend aus, die Erfolgsmeldung war nur noch eine Frage der Zeit.»
Andere Experten äussern sich deutlich zurückhaltender. Michael Nawrath (57), Pharma-Analyst bei der Zürcher Kantonalbank: «Die Reaktion auf die Meldung war völlig übertrieben. Für die Wissenschaft war es ein toller Tag, aber wir sind noch ein gutes Stück von einem Impfstoff entfernt. Es sind viel zu viele Dinge unklar.»
So weiss zum Beispiel niemand, wie lange der Impfschutz hält oder ob Geimpfte ansteckend sind. Zudem habe man bei der Zwischenanalyse lediglich 94 infizierte Personen begutachtet, von dieser beschränkten Gruppe wurde der vorläufige Impfschutz von 90 Prozent hochgerechnet. Allerdings gehörten zu den Untersuchten keine älteren Risikopatienten.
Wann der Impfstoff tatsächlich auf den Markt komme, wie gut er wirke und wer davon profitiere, sei daher noch gar nicht abzuschätzen, stellt Nawrath klar. Sein Fazit: «Die Meldung von Pfizer/Biontech war unglücklich kommuniziert und weckte allzu viel Hoffnung.»
«Die Meldung sorgt für Druck auf alle Seiten»
Auch Patrick Durisch (55) von der unabhängigen Organisation Public Eye stört sich am Vorgehen der Pharmagiganten. Üblicherweise würden neue Entwicklungen genauer untersucht, bevor man damit an die Öffentlichkeit gehe. «Der Aufschrei sorgt nun für grossen Druck auf alle Seiten, beispielsweise auch auf die Zulassungsbehörden», sagt der Gesundheitsexperte. «Es stellt sich die Frage, ob die Unternehmen im gegenseitigen Wettstreit nicht zu vorschnell gehandelt haben.»
Durisch stösst sich unter anderem daran, dass die Pharmaindustrie aus den Erfolgen der öffentlichen Forschung Profit schlagen kann. Die Weltgesundheitsorganisation und andere Institutionen hätten Milliarden in die Hand genommen, um das Virus zu erforschen. «Die Pharmafirmen hingegen haben sich wenig an der Forschung beteiligt. Jetzt bauen sie auf Basis der Forschungen Impfstoffe und verkaufen diese gewinnbringend», ärgert sich Durisch.
Marcel Sennhauser, Vizechef des Pharmadachverbands Scienceindustries, beteuert, die Pharmafirmen hätten sich sehr wohl an der Forschung beteiligt. «Die Entwicklung einer neuen Therapie kostet unseren Berechnungen nach weit mehr als eine Milliarde Franken», sagt Sennhauser. Zudem sei von zehn Forschungsprojekten im Schnitt nur eines von Erfolg gekrönt, womit grosse Ausfallkosten entstünden.
Zunehmend spürbar macht sich ausserdem die Monopolisierung in der Branche. Nur noch wenige Unternehmen sind in der Lage, Medikamente oder Impfstoffe in grossen Mengen herzustellen. Die Schweizer Unternehmen Roche und Novartis etwa haben sich aus dem Impfgeschäft zurückgezogen.
40, 50 oder 70 Franken pro Impfdosis?
Davon profitieren Firmen, die nun die Marktpreise fast beliebig festsetzen können. Pfizer wird pro geimpfte Person rund 40 Dollar verlangen, die Kosten liegen damit im Bereich einer üblichen Grippeimpfung. Bei Moderna hingegen wird mit 70 Dollar fast doppelt so viel fällig. Ausserdem fliessen bereits hohe Summen in Vorreservationen.
Diese Woche erhöhte der Bundesrat das Budget für die Beschaffung von 300 auf 400 Millionen Franken – ohne genau zu wissen, welche Impfstoffe wann und in welcher Qualität auf den Markt kommen.
Pro Kopf wären es rund 50 Franken – im internationalen Vergleich ein hoher Wert. Die USA beispielsweise haben in einem ersten Schritt umgerechnet rund 15 Franken pro Person für die Reservation von Impfstoffen vorgesehen. Der Impfstoff-Markt mit einem Gesamtvolumen von rund 50 Milliarden Dollar und einem jährlichen Wachstum von sieben Prozent dürfte jedenfalls noch einmal kräftig wachsen.
Branchenvertreter Sennhauser betont, dass trotz der hohen Ausgaben der Industrienationen alle Länder zum Zug kommen sollen. «Die Pharmaindustrie ist darauf bedacht, eine gerechte Verteilung unter den Staaten zu unterstützen. Diese Diskussionen werden aktuell international geführt. Dabei ist die Versorgung von Ländern mit kleineren Gesundheitsbudgets ein prominentes Thema.»
Die Experten von Public Eye sehen diese Aussagen skeptisch. Gemäss ihren Berechnungen stehen 2021 im Idealfall acht Milliarden Impfdosen bereit, das reicht im besten Fall für knapp vier Milliarden Impfungen. Zum heutigen Zeitpunkt sind allerdings bereits neun Milliarden Dosen reserviert. Nicht alle Länder werden somit gleich schnell Zugang erhalten.
Für den Gesundheitsexperten Patrick Durisch ist deshalb klar: «Von Solidarität in der aktuellen Situation ist sowohl bei den Pharmafirmen als auch zwischen den Staaten wenig zu spüren.»
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