Experte zur Horror-Nacht in der Mont-Blanc-Gondel
«In der Schweiz ist so etwas nicht möglich»

Viele Stunden sassen Touristen in einer Seilbahn über den Gletschern des Mont Blanc fest. Einige verbrachten sogar die Nacht in den Gondeln. Wieso dauerte die Evakuierung so lange?
Publiziert: 13.09.2016 um 16:15 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 15:55 Uhr
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Erleicherte Touristen verlassen die Gondeln heute Morgen bei der Bergstation des Mont Blanc.
Wera Engelhardt

Es war die wohl eisigste Nacht ihres Lebens: 110 Touristen sassen am Donnerstag stundenlang in einer defekten Seilbahn über den Glacier du Géant am Mont Blanc fest. 33 von ihnen mussten in den Vierergondeln sogar übernachten.

Erst am Freitagmorgen hatten die durchgefrorenen, hungrigen und erschöpften Menschen wieder festen Boden unter den Füssen - nach rund 18 Stunden auf 3600 Meter über Meer.

In der Schweiz sorgt der Vorfall für Verwunderung. Gregor Saladin vom Bundesamt für Verkehr sagt zu BLICK: «In der Schweiz wäre so etwas nicht möglich.»

Rettung binnen drei Stunden

Er verweist auf Artikel 44 der Seilbahnverordnung. Darin heisst es: «Das Seilbahnunternehmen muss nachweisen, dass die Bergung unter allen zulässigen Betriebszuständen jederzeit sicher und rechtzeitig erfolgen kann.»

Konkret bedeutet das: Im Fall einer Panne müssen die Kabinen in maximal drei Stunden geräumt sein. Wenn es in den Gondeln keinen ausreichenden Kälteschutz gibt, ist der Zeitdruck sogar noch grösser. Dann darf die Rettung nicht länger als zwei Stunden dauern.

Die Pilatus Goldelbahn zwischen Kriens und Fräkmüntegg
Foto: Keystone

Alle Schweizer Seilbahn-Betreiber müssen dem Bundesverkehrsamt deshalb ein Rettungskonzept vorlegen, mit dem Passagiere so schnell wie möglich aus einer Notlage befreit werden können.

Rettungs-Techniken

Der Helikopter beispielsweise reicht als Rettungsmittel nicht aus. Denn der kann bei schlechtem Wetter nicht starten oder muss landen, wenn er schon in der Luft ist.

Wie schnell ein Helikopter nutzlos werden kann, zeigt der Vorfall am Mont Blanc: Als am späten Abend Nebel aufzog, mussten die Retter in ihren Helikoptern abziehen und 33 Menschen zurücklassen.

Zuverlässiger sind Leitern, die allerdings nur bis zu einer bestimmten Höhe eingesetzt werden können, der Abstieg per Abseilen oder sogenannte Hilfsseilbahnen. 

Viele Fragen offen

In diesen Gondeln sassen die Touristen fest.

Die werden auf das Tragseil gesetzt und verfügen über einen eigenen Antrieb, falls der Motor der regulären Bahn ausgefallen ist. Über die Hilfsseilbahn gelangen die Rettungskräfte dann zu der Kabine, die stecken geblieben ist. «Das funktioniert ähnlich wie eine Lastseilbahn», erklärt Amtssprecher Saladin.

Wieso die Evakuierung am Mont Blanc so lange dauerte, darüber wird auch in Frankreich gerätselt. Möglich ist, dass die nötigen technischen Voraussetzungen nicht gegeben waren.

Der Sender France Bleu berichtet, die Seilbahn sei für Evakuierungen nicht konzipiert. Deshalb hätten Techniker in den ersten Stunden nach der Panne versucht, die Kabel zu entwirren und die Bahn wieder in Gang zu setzen.

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