«Für die Patienten ist das eine bevorstehende Katastrophe»
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Arzt Thilo Beck (61):«Für die Patienten ist das eine bevorstehende Katastrophe»

Ex-Heroinsüchtige wie Jonas W. (36) fürchten sich vor Methadon-Engpass
«Dann fängt mein Heroin-Albtraum von vorne an»

Dank der Methadon-Abgabe ist der Zürcher Jonas W. vom Heroin losgekommen. Er hat Angst davor, ohne seine tägliche Dosis wieder in die Drogen abzurutschen.
Publiziert: 14.01.2023 um 00:34 Uhr
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Aktualisiert: 14.01.2023 um 10:16 Uhr
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Carla De-VizziRedaktorin News

Unsichere Zeiten sind angebrochen für die 9000 Methadon-Patienten in der Schweiz. Es droht ein Versorgungsengpass des Methadon-Medikaments Ketalgin, das von der Gesundheitsweltorganisation als lebenswichtig eingestuft wird. Das Problem: Die Zulassungsbehörde Swissmedic hat Ende Jahr dem grössten Schweizer Methadon-Tabletten-Hersteller, der Amino AG im Kanton Aargau, die Bewilligung entzogen.

Seitdem ist die Produktion lahmgelegt. Für die Methadonpatienten könnte ein möglicher Versorgungsengpass fatale Folgen haben. So auch für den einst Heroinabhängigen Jonas W.* (36) aus Zürich. Seit acht Jahren bezieht er Ketalgin – die zwei rosafarbenen Tabletten sind sein täglicher Begleiter und «Lebensretter», wie er sagt. Dank ihnen ist er von der Spritze weggekommen. Wenn er an den drohenden Methadon-Mangel denkt, schnürt sich ihm die Kehle zu. «Geht das Methadon aus, fängt mein ganzer Albtraum von vorne an», sagt er.

Brauche ich dann wieder Heroin?

Angefangen habe alles in der Lehre mit dem Kiffen. Jonas W., der seinen Vater früh verloren hat und in der Schule gemobbt wurde, suchte in Suchtmitteln das Selbstvertrauen, das ihm immer gefehlt hatte. Durch den falschen Umgang kam er dann später mit Ecstasy, Kokain und schlussendlich Heroin in Kontakt. «Zuerst habe ich es geraucht, am Ende dann gar gespritzt.» Vier Jahre lang bestimmte Heroin sein Leben.

Jonas W. fürchtet sich vor dem Moment, in dem er kein Methadon mehr erhält.
Foto: Siggi Bucher
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Heute sei er dank des Methadon-Programms und der psychiatrischen Behandlung in der Arud, dem Zentrum für Suchtmedizin in Zürich, stabil. «Fragt sich nur, wie lange, wenn das Methadon knapp wird», sagt er. Insbesondere die Unsicherheit setze ihm zu – unzählige Fragen schwirren in seinem Kopf herum: «Lande ich dann wieder auf der Strasse, weil ich mein Präparat nicht mehr erhalte? Was ist die Alternative, mit der ich dann konfrontiert werde? Oder gar: Mist, ich kenne gar niemanden mehr, der Heroin vertickt. Brauche ich es dann wieder?»

«Die Betroffenen vertragen andere Medikamente nicht oder viel schlechter»

Methadon ist ein opiatwirksames Medikament (Opioidagonist), das zur Behandlung von Menschen mit einer Abhängigkeit von Opiaten, wie Heroin eingesetzt wird. In der Schweiz besteht laut Bundesamt für Gesundheit (BAG) seit 1975 eine gesetzliche Grundlage zur Behandlung mit Methadon.

Beim Methadon handelt es sich um ein Opioid, dessen Wirkung langwirksam ist – sprich sie ist stets konstant, hält 24 Stunden an und verhindert zuverlässig Entzugserscheinungen. Benebelt ist man laut Thilo Beck, Co-Chefarzt Psychiatrie des Suchtzentrums Arud, aber keineswegs. «Die Patienten dürfen auch Auto fahren oder können ihrer Arbeit nachgehen», sagt der Arzt zu Blick.

Wenn über viele Jahre sorgfältig auf Methadon eingestellte Personen plötzlich auf ein völlig anders wirkendes Medikament umgestellt werden müssten, sei dies eine «riesige Katastrophe, mit fatalen Folgen». «Die Betroffenen vertragen die anderen für die Behandlung der Opiatabhängigkeit zur Verfügung stehenden Medikamente nicht oder viel schlechter.» Bei der Arud seien 400 Patienten betroffen.

Methadon ist ein opiatwirksames Medikament (Opioidagonist), das zur Behandlung von Menschen mit einer Abhängigkeit von Opiaten, wie Heroin eingesetzt wird. In der Schweiz besteht laut Bundesamt für Gesundheit (BAG) seit 1975 eine gesetzliche Grundlage zur Behandlung mit Methadon.

Beim Methadon handelt es sich um ein Opioid, dessen Wirkung langwirksam ist – sprich sie ist stets konstant, hält 24 Stunden an und verhindert zuverlässig Entzugserscheinungen. Benebelt ist man laut Thilo Beck, Co-Chefarzt Psychiatrie des Suchtzentrums Arud, aber keineswegs. «Die Patienten dürfen auch Auto fahren oder können ihrer Arbeit nachgehen», sagt der Arzt zu Blick.

Wenn über viele Jahre sorgfältig auf Methadon eingestellte Personen plötzlich auf ein völlig anders wirkendes Medikament umgestellt werden müssten, sei dies eine «riesige Katastrophe, mit fatalen Folgen». «Die Betroffenen vertragen die anderen für die Behandlung der Opiatabhängigkeit zur Verfügung stehenden Medikamente nicht oder viel schlechter.» Bei der Arud seien 400 Patienten betroffen.

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Die Situation sei vergleichbar mit einer an Diabetes erkrankten Person, der man das Insulin entziehe. «Ohne geht es nicht. Wenn ich mein Methadon nicht kriege, kann ich kein normales Leben führen.» So ergehe es auch all den anderen Menschen mit einer Opioid-Abhängigkeit, die wie er bei der Arud oder anderen Institutionen in Methadon-Behandlung seien. W. ist sich deshalb sicher, dass bei einem Engpass die Beschaffungskriminalität enorm ansteigen wird: «Die Leute werden andere Wege finden, sich die Ware zu besorgen.»

Diese Befürchtung hat auch Thilo Beck (61), Co-Chefarzt Psychiatrie der Arud. «Wenn ihr Medikament nicht mehr verfügbar ist, werden die Patienten mit grosser Wahrscheinlichkeit von der Behandlung abspringen und stattdessen den Stoff wieder auf der Strasse suchen», sagt der Psychiater.

In Zürich gehen bereits die ersten Tabletten aus

Auf die Strasse will Jonas W. nicht mehr. Insgesamt habe er zwei Jahre «auf der Gasse» gelebt. Heute hat er ein WG-Zimmer und einen Job im Service: «Ich bin endlich wieder Teil der Gesellschaft. Ich hoffe schwer, dass das auch so bleibt.»

Ob und wann das Methadon-Medikament ausgehen wird, ist nicht klar. Bei der Arud mache sich der Engpass aber bereits bemerkbar: «Wir sind am Ende unserer Lagerbestände, die ersten Tablettenstärken sind uns bereits ausgegangen. Es wird immer enger.» In zwei bis drei Wochen seien sie dann komplett ausgeschossen.

Beck zufolge hätte man diese missliche Lage verhindern können. «Die Herstellerfirma und Swissmedic haben offensichtlich einen jahrelangen Prozess miteinander geführt. Trotzdem hat man uns nicht informiert», so der Psychiater, der auch im Vorstand der Schweizerischen Gesellschaft für Suchtmedizin ist. Stattdessen habe man sie vor vollendete Tatsachen gestellt und nun stehe es in den Sternen, wie es weitergehe.

Inzwischen hat Firmeninhaber Edmund Wyss bei Swissmedic einen Antrag für eine neue fachverantwortliche Person der Amino AG eingereicht. Wie lange die Bewilligung dieses Verfahrens dauern werde, kann das Schweizerische Heilmittelinstitut nicht sagen.

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