Eltern über den steinigen Weg zum Wunschkind
«Es zog uns den Boden unter den Füssen weg»

In Zukunft werden wohl mehr Paare auf Fortpflanzungsmedizin setzen müssen. Momentan kommt jedes vierzigste Kind in der Schweiz dank künstlicher Befruchtung zur Welt. Eines davon ist die kleine Tochter von Sandra* (33) und Oliver (39)*.
Publiziert: 26.05.2019 um 11:50 Uhr
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Aktualisiert: 27.05.2019 um 06:58 Uhr
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In Zukunft werden wohl mehr Paare auf Fortpflanzungsmedizin setzen müssen, um Eltern zu werden.
Foto: Valeriano Di Domenico
Dana Liechti

Mehr und mehr Paare setzen auf Fortpflanzungsmedizin. Derzeit kommt jedes vierzigste Kind in der Schweiz durch künstliche Befruchtung zur Welt. Eines davon ist die kleine Tochter von Sandra (33) und Oliver (39) Sommer*. Das Paar sprach mit SonntagsBlick über den steinigen Weg zum Wunschkind.

Sandra: «Wir wollten schon immer Kinder. 2015 haben wir beschlossen, dass jetzt der richtige Zeitpunkt ist. Wir haben aber schnell gemerkt, dass etwas nicht stimmt. Die Abklärungen ergaben, dass die Spermienqualität von Oliver nicht die beste ist und dass ich keinen Eisprung habe. Meine Frauenärztin hat uns dann geraten, die Spermien im 
Labor aufzubereiten, und sie dann in meine Gebärmutter eingeführt. Die Krankenkasse zahlt drei Versuche. Das hat bei uns aber nicht geklappt, weil die Spermienzahl zu klein war. Da ist eine Welt zusammengebrochen. Ich habe mich gefragt: Warum ausgerechnet wir? Auch Sprüche wie «Setzt euch halt nicht so unter Druck» oder «Geht mal in die Ferien, das kommt schon» waren unangenehm. Das sind Dinge, die man nicht hören will. Weil man ja genau weiss, dass es gar nicht klappen kann.

«Viele Freundinnen sind schwanger geworden»

Damals sind viele Freundinnen von mir schwanger geworden. Das war schon schwierig. Man freut sich zwar mit ihnen, aber möchte auch losheulen. Ich habe mich sehr alleine gefühlt. Es hätte geholfen, wenn dieses Thema nicht so tabuisiert wäre. Ich bin dann verschiedenen Facebook-Gruppen beigetreten und merkte, dass es ganz viele sind, die das Gleiche durchmachen. Der Austausch mit den anderen hat geholfen.

Uns blieb nur noch die Intracytoplasmatische Spermieninjektion. Dabei wird im Labor ein einzelnes Spermium in eine Eizelle gespritzt, die befruchtete Eizelle wird in die Gebärmutter gebracht. Das zog uns erst mal den Boden unter den Füssen weg. Denn diese Behandlung zahlt man in der Schweiz alleine – ein Versuch kostet 15'000 Franken. Darum entschieden wir uns, sie in Österreich machen zu lassen, für 6000 Euro. Die Medikamente waren eine Belastung, und wir hatten Angst, dass es nicht funktioniert. Es gibt ja keine Garantie. Aber wir hatten riesiges Glück: Ich wurde schwanger. Unsere Tochter wird nie sagen können, wir hätten sie nicht gewollt. Wir haben alles getan, um sie zu bekommen. Dieses Glücksgefühl, als sie im Februar 2018 zur Welt kam ..!»

Oliver: «Das war unbeschreiblich! Manchmal beschäftigt mich aber die Frage, ob das überhaupt richtig ist, weil unsere Tochter auf natürlichem Weg ja nicht entstanden wäre. Mittlerweile finde ich, das ist es wert.

«Ich hatte nie das Gefühl, unmännlich zu sein»

Ich hatte nie das Gefühl, unmännlich zu sein, weil meine Spermienqualität nicht so gut ist. Das ist halt einfach so. Es hilft zu wissen: Man ist nicht der Einzige. Dass mit 60 Prozent die Mehrheit Probleme hat, zeigt ja, dass es sogar schon etwas Normales ist.»

Sandra: «Das ist aber auch so, weil es in unserem Fall an uns beiden lag. Das Gefühl zu versagen, wäre vielleicht stärker gewesen, wenn es nur an einem gelegen hätte. Das Wichtigste ist aber, dass man keine Angst vor künstlicher Befruchtung hat. Sie kann auch zum Happy End führen. Ich bin übrigens wieder schwanger. Mit einem zweiten befruchteten Ei von damals, das wir haben einfrieren lassen.»

* Name geändert

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