Lieber zahlen sie eine Busse
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Eltern in Sorge wegen Schule:Lieber zahlen sie eine Busse

Eltern in Sorge wegen Schulstart
Lieber zahlen sie eine Busse

Am 11. Mai beginnt in den Schulen wieder der Unterricht. Väter und Mütter atmen auf. Aber nicht alle: Manche haben Angst um die Gesundheit ihrer Kinder.
Publiziert: 03.05.2020 um 10:39 Uhr
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Aktualisiert: 03.05.2020 um 19:12 Uhr
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Familie Levy-Hoffmann: Die Söhne Mika (10) und Sky (12) leiden von klein auf an chronischer Bronchitis.
Foto: Thomas Meier
Tobias Marti

In einer Woche dürfen die Schulen wieder öffnen. Eine Meldung, die viele Kinder zu Luftsprüngen verleitet und bei ihren Müttern und Vätern tiefes Durchatmen auslöst. Vorbei die Zeiten des ätzenden Heim­unterrichts!

Ungezählte Eltern teilen ihre Freude darüber in den sozialen Medien. Auch Familie Levy-Hoffmann aus Hombrechtikon ZH wäre eigentlich froh, könnte das Leben wieder in geordneten Bahnen verlaufen. Denn Organilicious, das Geschäft von Mutter Danna (40), einer selbständige Ernährungs- und ­Gesundheitsberaterin, liegt gerade darnieder. Das Haushaltsbudget hat sich seit Corona halbiert.

Söhne leiden an chronischer Bronchitis

Weit grössere Sorgen macht sie sich aber um die Gesundheit. Um jene der Schweizer Bevölkerung generell. Die Mutter: «Mit dem frühen Öffnen der Schulen riskieren wir eine zweite Welle.» Im Speziellen sorgt sie sich um die Gesundheit ihrer Söhne Mika (10) und Sky (12).

Die beiden leiden von klein auf an chronischer Bronchitis. «Regelmässig nach Outdoor-Aktivitäten bekommen sie Husten, was leicht mit einer Lungenentzündung enden kann», sagt Vater Georg Hoffmann.

«Ich denke, wir werden unsere Söhne am 11. Mai nicht in die Schule schicken», fasst Danna Levy-Hoffmann zusammen. Sie zweifelt an der Aussage, Kinder seien weniger ansteckend als ­Erwachsene. Und dass die Lehrer den geforderten Zwei-Meter-Abstand strikte einhalten werden, kann sie nur mit Mühe glauben. Die Levy-Hoffmanns haben auch schon in den USA und in Israel gelebt: Sie vergleichen die Lage in den Ländern jeweils genau, tauschen sich mit Verwandten und Freunden aus.

1000 Franken pro Kind

Die Familie empfing in den letzten Wochen keinen Besuch. Als SonntagsBlick in der Tür stand, flüchteten sich die Buben nach draussen in die Sicherheit einer Baumkrone.

Nun will die Familie die Schulleitung kontaktieren und den Kinderarzt aufsuchen. Der Vater ist op­timistisch, die Mutter eher pessimistisch. «Im schlimmsten Fall gehen wir von einer Busse von 1000 Franken pro Kind aus», sagt er. Erfahrungsgemäss bewege sich der ­Betrag in dieser Grössenordnung.

Georg Hoffmann grinst verlegen. Wegen ­einer Schulabsenz, die ­einem Auslandsaufenthalt geschuldet war, wurde die Familie bereits einmal zu einer Busse verdonnert.

«Das ist wie russisches Roulette»

Im Moment wisse man einfach nicht genug, um den Unterricht wieder derart hochzufahren, wie dies in der Schweiz geplant sei, sagt sie: «Lieber haben wir eine Mehrbelastung zu Hause als dass die Kinder zu früh in die Schule gehen.» Sie ist überzeugt, dass «viele Eltern gleich entscheiden werden».

Chronische Bronchitis bereitet auch Familie Ivkic Kummer. «Ich sorge mich um meinen Mann», sagt Mutter Dali. Marko Ivkic gehört zur Risikogruppe, sein Arbeitgeber hat eigens für ihn eine neue Stelle geschaffen, an der er isoliert arbeitet. Nun gehen auch in ihrer Aargauer Gemeinde an der deutschen Grenze die Schulen wieder auf.

Maja (8) besucht die zweite Klasse, David (5) den Kindergarten, Marie, die Jüngste, ist drei Jahre alt. Dali Ivkic zweifelt an der Aussage, dass Kinder das Virus nicht übertragen. «Das ist wie russisches Roulette», sagt die gebürtige Deutsche. In Stuttgart (D), wo sie herkommt, seien die Schulen bis zu den Sommerferien dicht.

Individuelle Lösungen im Aargau möglich?

Entsprechend vorsichtig war die Familie bisher. Die Kinder spielten lediglich mit denen einer anderen Familie. Der Nachwuchs habe das Problem verstanden und akzeptiert, so die Mutter. Das ändere sich aber nun: «In der Logik der Kinder endet das Virus ab dem 11. Mai.» Mit dem Schulstart sieht sie deshalb die Sicherheit ihres Mannes gefährdet.

Am Freitag suchte sie den Lehrer auf, der ihr mitgeteilt habe, die Schule halte sich an die Massnahmen des Kantons und des Bundesamts für Gesundheit. ­«Meine Kinder müssen also am Montag antraben, keine Ausnahme.» Nun macht sie sich grosse Sorgen.

Eine Sprecherin des ­Aargauer Bildungsdepartements teilt mit, individuelle Lösungen seien möglich: «Sollte mit der Klassen­lehrperson und der Schulleitung im Einzelfall keine angemessene Regelung gefunden werden, können sich Eltern an die kantonale Schulaufsicht wenden.»

Auch das BAG sieht in Einzelfällen individuelle Lösungen vor. Keine Frage: An den Schulen im ganzen Land ist dieser Tage für ­Gesprächsstoff gesorgt.

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