Eltern des toten Bojan klagen an
«Die Armee lässt uns im Stich!»

Publiziert: 14.09.2007 um 07:42 Uhr
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Aktualisiert: 13.02.2019 um 16:09 Uhr
VON HANNES HELDSTAB
IM FANG FR – «Ich bin nahe dran durchzudrehen», gesteht Eric Buchs (47). Er ist der Vater von Bojan (23†), der zusammen mit fünf Kameraden an der Jungfrau sein Leben lassen musste.

Auch 65 Tage nach der RS-Tragödie im Hochgebirge kann die Armee nicht erklären, wie sich alles abgespielt hat. Die leidgeprüften Familien fühlen sich im Stich gelassen.

«Immer noch suchen wir nach Antworten, warum Bojan und seine fünf RS-Kameraden an der Jungfrau ihr Leben lassen mussten. Weshalb? Wozu?» So fragt die Familie Buchs aus dem freiburgischen Dörfchen Im Fang in der Anzeige zum «Gottesdienst des Dreissigsten» für ihren Sohn.

Vater Eric Buchs (47) ist ein gebrochener Mann. «Mein Leben ist futsch. Aber ich warte darauf, dass endlich einmal eine Erklärung für das Unglück kommt», sagt er. Und gesteht: «Ich bin nahe daran durchzudrehen. Schuld daran ist die Armee, die verantwortlich ist für den Tod von Bojan und seinen Kameraden.»

Psychologische Hilfe lehnt er aber ab. Täglich verbringt er viele Stunden auf dem kleinen Friedhof von Im Fang am Grab von Bojan. «Ich kann nicht arbeiten, grüble bloss noch. Hintersinne mich.»

Eric Buchs ist überzeugt, dass es ihm und seiner Familie etwas leichter fiele, den Verlust des Sohnes zu begreifen, wenn man endlich wüsste, was am 12. Juli beim Aufstieg zur Jungfrau genau passiert ist. «Und wer eigentlich für den Tod der sechs Soldaten die Verantwortung trägt.» Buchs weiss, dass die anderen betroffenen Familien gleich darüber denken. «Was verheimlicht uns die Armee?», fragt er.

Vor allem soll abgeklärt werden, ob sich ein Schneebrett löste und die Rekruten in den Abgrund riss. Oder ob ein Rekrut ausrutschte und die andern in die Tiefe riss, wie das der Gebirgssoldat B. T.* nach der Trauerfeier in Andermatt vor laufenden Kameras berichtete. Für Bojans Vater war das ein fragwürdiger Auftritt. Mit solcher Informationspolitik der Armee kann er sich nur schwer abfinden.

Und weiter meint er: «Wenn ich schaue, was jetzt für ein Theater gemacht wird um Ex-Bundesanwalt Roschacher und Bundesrat Blocher, frage ich mich: In welcher Welt leben wir eigentlich? Da wird auf widerliche Art Wahlkampf gemacht. Aber sechs Familien, die der Bund ins Elend gestürzt hat, werden einfach vergessen. Wir Angehörige werden von der Armee im Stich gelassen.»

Besonders nervt Buchs, dass jetzt ein Riesenwirbel um die Gewaltentrennung gemacht wird. «Und bei der Armee?», fragt er. «Da klären doch Armee-Leute ab, wer von der Armee unsere Söhne in den Tod geschickt hat. Das ist doch unhaltbar. Die sind doch nicht unabhängig.»

Ein wenig Trost zu finden hoffen er und die Familie morgen Abend beim Gedenk-Gottesdienst in der Pfarrkirche Jaun. «Wir haben zwar kein Leben mehr wie vorher», sagt er. «Aber wir haben bisher gut gelebt. Schlimm ist jetzt, dass Bojan nicht mehr bei uns ist.»

* Name der Redaktion bekannt

Das sagt die Militärjustiz
BERN – Zum Drama an der Jungfrau kündigte die Armeejustiz eigentlich Informationen für die «erste Septemberhälfte» an. Jetzt kam der Rückzieher.Martin Immenhauser, Sprecher der Militärjustiz: «Die beim Schweizerischen Schnee- und Lawinenforschungsinstitut angeforderte Expertise verzögert sich erneut. Das hat man uns aus Davos Anfang dieser Woche wissen lassen.» Laut Immenhauser ist «offenbar alles etwas komplizierter als angenommen. Die Expertise wird frühestens Ende September vorliegen. Dann machen wir uns an die Terminplanung für die Information.»
BERN – Zum Drama an der Jungfrau kündigte die Armeejustiz eigentlich Informationen für die «erste Septemberhälfte» an. Jetzt kam der Rückzieher.Martin Immenhauser, Sprecher der Militärjustiz: «Die beim Schweizerischen Schnee- und Lawinenforschungsinstitut angeforderte Expertise verzögert sich erneut. Das hat man uns aus Davos Anfang dieser Woche wissen lassen.» Laut Immenhauser ist «offenbar alles etwas komplizierter als angenommen. Die Expertise wird frühestens Ende September vorliegen. Dann machen wir uns an die Terminplanung für die Information.»
Das Rekruten-Drama
BERN – Es ist strahlendes Wetter an diesem 12. Juli. Zuvor gab es Tage mit grösseren Schneefällen und heftigem Wind.Um fünf Uhr morgens starten 12 Soldaten der Andermatter Gebirgsspezialisten-RS 15/2 mit zwei militärischen Bergführern von der Mönchsjochhütte Richtung Jungfrau (4158 m). Gegen 9.30 Uhr erreichen die vier Dreierseilschaften den Rottalsattel (ca. 3800 m). Die beiden ersten Dreierseilschaften überschreiten den Grat, steigen links davon weiter Richtung Jungfrau.9.55 Uhr löst sich – nach ersten Aussagen der Ermittler – am steilsten Stück des Grates (Gefälle 50%, eine halbe Stunde unter dem Gipfel) ein Schneebrett, reisst die beiden oberen Dreierseilschaften 1000 Meter weit ins Rottal hinunter. Nur noch die Leichen der sechs Soldaten können geborgen werden. Die andern Seilschaften und die Bergführer bleiben heil.Ermittlungen sollen ergeben haben, dass nicht ein Schneebrett das Unglück auslöste, sondern der Ausrutscher eines Soldaten. Das soll jetzt die Expertise des Schnee- und Lawinenforschungsinstituts klären helfen.Von Hannes Heldstab
BERN – Es ist strahlendes Wetter an diesem 12. Juli. Zuvor gab es Tage mit grösseren Schneefällen und heftigem Wind.Um fünf Uhr morgens starten 12 Soldaten der Andermatter Gebirgsspezialisten-RS 15/2 mit zwei militärischen Bergführern von der Mönchsjochhütte Richtung Jungfrau (4158 m). Gegen 9.30 Uhr erreichen die vier Dreierseilschaften den Rottalsattel (ca. 3800 m). Die beiden ersten Dreierseilschaften überschreiten den Grat, steigen links davon weiter Richtung Jungfrau.9.55 Uhr löst sich – nach ersten Aussagen der Ermittler – am steilsten Stück des Grates (Gefälle 50%, eine halbe Stunde unter dem Gipfel) ein Schneebrett, reisst die beiden oberen Dreierseilschaften 1000 Meter weit ins Rottal hinunter. Nur noch die Leichen der sechs Soldaten können geborgen werden. Die andern Seilschaften und die Bergführer bleiben heil.Ermittlungen sollen ergeben haben, dass nicht ein Schneebrett das Unglück auslöste, sondern der Ausrutscher eines Soldaten. Das soll jetzt die Expertise des Schnee- und Lawinenforschungsinstituts klären helfen.Von Hannes Heldstab
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