«Wir alle waren glücklich, dass wir überlebt haben»
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Ein Jahr nach der Explosion:«Wir alle waren glücklich, dass wir überlebt haben»

Ein Jahr nach Monster-Explosion von Nussbaumen AG
«Es ist wichtig, dass der Wiederaufbau jetzt vorwärtsgeht»

Meterhohe Flammen, pilzförmige Rauchwolke: Vor einem Jahr ist es in Nussbaumen AG zu einer Monster-Explosion gekommen. Das traurige Resultat: Zwei Tote, elf Verletzte. Wie geht es der Bevölkerung heute? Blick hat sich umgehört.
Publiziert: 11:21 Uhr
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Aktualisiert: 11:54 Uhr
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Die Explosion in Nussbaumen von Mitte Juni 2024 richtete grosse Zerstörung an – und hinterliess bei der Bevölkerung Spuren.
Foto: Blick

Darum gehts

  • Explosion in Nussbaumen AG vor einem Jahr: Zwei Tote, elf Verletzte
  • Ermittlungen wegen fahrlässiger Tötung und Widerhandlungen gegen das Sprengstoffgesetz laufen
  • Zwölf Gebäude beschädigt, Kosten über eine Million Franken laut Gebäudeversicherung
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.

Es knallte, mehrfach – und dann herrschte der Ausnahmezustand in Nussbaumen AG: Vor genau einem Jahr explodierte es in der Tiefgarage neben dem Einkaufzentrum Markthof. Flammen schlugen hoch, Rauch verschlang alles. Die verheerende Bilanz: Zwei Tote († 43 und † 24) und elf Verletzte.

Hier ist eine Explosion zu hören
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Lauter Knall in Nussbaumen:Video zeigt demolierte Strasse

Rund 200 Feuerwehrleute standen im Einsatz, um Schlimmeres zu verhindern. Einsatzleiter Lorenz Füglister sagte kurz nach der Explosion zu Blick: Er habe schon einige Einsätze hinter sich, aber «so eine Wucht habe ich noch nie erlebt».

Ermittlungen wegen fahrlässiger Tötung

Schnell stand für die Kantonspolizei Aargau fest: Potentes Feuerwerk muss die Explosion ausgelöst haben. Kurz darauf stellte sich heraus, dass zwei Personen – die beiden Toten – in einer Art Hobbyraum im Bereich der Tiefgarage mit Feuerwerk hantierten.

Wie die «Aargauer Zeitung» diese Woche schreibt, ermittelt die Bundesanwaltschaft gegen eine Person unter anderem wegen fahrlässiger Tötung und Widerhandlungen gegen das Sprengstoffgesetz. Hierbei dürfte es sich um den Mieter handeln, der die beiden Opfer kannte.

«Wir brauchen wieder Alltag!»

Fakt ist: Die Explosion richtete grosse Zerstörung an – und hinterliess bei der Bevölkerung von Nussbaumen Spuren. Auch für die Gemeindepräsidentin Bettina Lutz Güttler (56) ist die Katastrophe noch lange nicht bewältigt. Sie sagt zu Blick: «Es ist wichtig, dass der Wiederaufbau jetzt vorwärtsgeht. Noch immer fehlt die Fassade des Gebäudes, die Spuren der Zerstörung sind noch immer prominent sichtbar. Die Geschäfte und das Restaurant können so nicht in nützlicher Frist aufmachen, wenn die Räume gegen aussen keinen Abschluss haben.» Und: «Wir brauchen wieder Alltag!»

Viele Bauten seien blockiert, weil die Finanzierung fehlt. «Die Betroffenen müssen am Schluss immer für einen Teil der Kosten aufkommen. Das ist leider bei grossen Katastrophen immer ein Problem. Im Gemeinderat diskutieren wir gerade, wie wir als Gemeinde helfen können.»

IG soll Pizzeria helfen

Ähnlich wird auch die Wiedereröffnung der Pizzeria Markthof verzögert. Blick hat Nicolas Schmassmann (56) vor Ort getroffen. Er ist der Feuerwehrkommandant in Obersiggenthal und der Partner der Wirtin. Dass das Restaurant auch ein Jahr danach nicht öffnen kann, erklärt er so: «Das Hauptproblem ist die beschädigte Fassade – also die Lieferfristen, aber auch die nötigen Genehmigungen. Hinzu kommt, dass wir bis heute keine definitive Kostengutsprache erhalten haben. Wir wissen also nicht genau, was wir instand stellen dürfen – und was nicht.»

«Wir hoffen, dass wir Mitte Oktober eröffnen können»
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Es wurde nun eine Interessengemeinschaft gegründet, um dem Restaurant finanziell unter die Arme zu greifen.

Gemäss der Aargauische Gebäudeversicherung wurden zwölf Gebäude teils schwer beschädigt. Kosten: über eine Million Franken. Eines davon: das Hochhaus, in dem Arda Kurmus (18) wohnt. Er räumte gerade mit seiner Mutter die Wohnung auf, als es krachte. «Es hat ein paar Explosionen gegeben – so eins, zwei, drei!»

Glück im Unglück

Rückblickend sagt Kurmus: «Anders als meine Mutter habe ich die Explosion gut verarbeitet. Sie wollte noch lange hier wegziehen.» Noch heute fühle sich sein Mami unsicher. «Hört sie irgendwo etwas krachen, wie etwa Böller, wird sie panisch.»

Was Kurmus beschäftigt: Die Aufbauarbeiten seien immer noch im Gange, seit einem Jahr seien die Bauarbeiter dran. «Da zeigt sich, wie extrem die Explosion war. Und dass wir alle Glück im Unglück hatten.»

Avni Alija (39), der ebenfalls mit seiner Familie im Hochhaus wohnt, sitzt der Schrecken auch nach einem Jahr noch in den Knochen. «Die Druckwelle hat mich fast umgeworfen!», sagt er. Das Fenster auf den Innenhof war offen und die erste Explosion war sehr heftig!»

«Sonst wären wir jetzt tot!»

Seine Familie und er hätten auch sonst grosses Glück gehabt, so Alija. Denn: Ihr Parkplatz befindet sich nur wenige Meter vom Explosionsherd entfernt. «Zehn Minuten vor der Explosion kamen wir mit dem Auto vom Zahnarzt zurück. Und eigentlich wollten wir nochmals ins Auto zurück, um etwas zu holen, liessen es aber wegen der Hitze sein. Zum Glück, sonst wären wir jetzt tot!» Das Auto der Familie war nach der Explosion nur noch ein Haufen Schrott.

Dass der Vorplatz rund um den Explosionsherd immer noch aussieht wie nach einem Bombenanschlag, belaste die Kinder, so Alija. «Wir wollten zuerst sogar hier wegziehen. Dann haben wir uns etwas daran gewöhnt.»

Sogar Aleksandar Stankovic (25), der rund 200 Meter entfernt wohnt, konnte die Druckwelle der heftigen Explosion damals spüren. Zu Blick sagt er am Freitag: «Wir dachten zwei Wochen lang, es wäre ein Anschlag!» Was er noch gut in Erinnerung hat: Die stark verbrannten Autos, die aus der Tiefgarage gezogen wurden. «Normalerweise sieht man das nur in Filmen!» Was ihn noch beschäftigt: Die Bauarbeiten vor Ort, vor allem an der Pizzeria.

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