Ein Insasse berichtet aus dem Skandal-Gefängnis
«Sie trieben es im Heu!»

Schockierende Zustände im Skandalknast Schöngrün: Gefangene bewegen sich völlig frei, bestellen Frauen für Sex und konsumieren Drogen. Jetzt packt ein Insasse aus.
Publiziert: 22.03.2009 um 00:12 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 20:45 Uhr
Von Silvana Guanziroli

Der Mann sitzt seit mehreren Jahren in der Strafanstalt Schöngrün SO. Wegen wiederholten Raubs wurde er zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. «Selbst als Insasse kann ich über die Zustände nur den Kopf schütteln. Das Schöngrün ist ein Lotterladen», findet er. Was der 14-jährigen Nina hinter diesen Gefängnismauern passierte, war sogar für ihn zu viel (siehe Link).

Deshalb meldete er sich bei SonntagsBlick. «Unter den Gefangenen war es ein offenes Geheimnis, dass Insassen über Schlüssel verfügten.» Mit Hilfe eines ehemaligen Aufsehers hatten mehrere schwere Jungs schon im Herbst 2007 das Schloss an der Tür zwischen Waschküche und Zellentrakt manipuliert.

Das nützten die Insassen des Gefängnisteils «Bleichenbergs» natürlich schamlos aus. «Sie hatten regelmässig Frauenbesuch. Freundinnen, aber auch Prostituierte.» Sex gab es in der Zelle, «und sie trieben es im Heu. Direkt neben dem Zellentrakt steht ein Bauernhof mit Heustock». Die Wärter sollen vom Frauenschmuggel gewusst haben, behauptet der Straftäter. «Gefangene haben es ihnen erzählt. Warum sie die besagte Türe nicht kontrolliert haben, ist mir wirklich ein Rätsel.»

Aber auch sonst herrscht im Schöngrün das wahre Chaos. «Es ist ein Kinderspiel, Drogen hier reinzubringen», sagt der Insasse und beschreibt, wie die Übergaben stattfanden: «Auf dem Gefängnisareal befindet sich ein Bioladen, dort kann jeder rein und die Drogen abgeben.

Ein beliebter Ort ist auch der Besucherraum. Hinter Holzbalken und Ziegelsteinen wird der Stoff versteckt. Wachen gibt es keine.» Das Gleiche gilt für Mobiltelefone. Auch die sind streng verboten, aber praktisch jeder Insasse hat eines: «Ich weiss von mindestens 40 Stück», berichtet der Mann.

Richtig erschreckend ist das, was der Gefangene weiter erzählt. «Wenn ich hier abhauen will, tu ich das einfach. Die Türen stehen tagsüber immer offen.» Die Gefangenen misten den Kälberstall aus, bauen Gemüse an oder arbeiten in der Schreinerei – wer keine Lust mehr hat, macht die Fliege. «Seit ich hier bin, sind einige Insassen abgehauen. Einer hatte vorher noch Geld aus der Bioladen-Kasse geklaut.»

«Das stimmt nicht ganz», sagt Gefängnisdirektor Peter Fäh. Dennoch muss er bestätigen: «Der Mann hat Geld veruntreut und ist, als wir es gemerkt haben, geflohen.» Wie verlottert das Schöngrün wirklich ist, zeigt auch das weitere Eingeständnis des Gefängnisdirektors: «Im letzten Jahr sind mehr als zehn Insassen direkt ab Feld oder während des Urlaubs getürmt.»

Trotzdem hält Fäh am Konzept der Strafanstalt Schöngrün fest: «Wir gehen dieses Risiko bewusst ein, weil wir hier einen offenen Strafvollzug praktizieren.» Immerhin will der Direktor jetzt den Besucherraum und das Drogenproblem etwas genauer unter die Lupe nehmen.

Es ist zu hoffen, dass seine Wärter auch mal öfter eine Gefängnistüre abschliessen.

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