Ein Sommerausflug auf die Alp Au de Morge. Das unternahm am Dienstag auch Rettungssänitäter Adrien Morard (33) aus Sitten mit seiner Familie. Die Aussicht auf 1632 Metern Höhe beim Lac de Lovenex ist atemberaubend. Auf der Walliser Alp im Grenzgebiet zu Frankreich weiden 45 Mutterkühe mit ihren Kälbern.
Kurz vor 14 Uhr ist es aus mit der Idylle. «Ich hörte plötzlich lautes Gebimmel von Kuhglocken. Die Kühe fingen an, nervös im Kreis zu laufen», erzählt Morard. Er sitzt auf einem Gipfel 200 Meter über der Alp. «Ich nahm meinen Feldstecher, um besser sehen zu können. Die Kühe rannten immer schneller im Kreis. Dann sah ich plötzlich einen Hund davonrennen. Dann jemand, der regungslos am Boden lag.»
Der Rettungssanitäter reagiert geistesgegenwärtig: «Ich wusste, dass die Person verletzt war. Ich rief mit meinem Handy sofort die 144 an. Dann rannte ich den Berg hinab. Ich brauchte fast zehn Minuten, bis ich bei der verletzten Frau war.»
Das Opfer ist ausser Lebensgefahr
Das Opfer der Kuhattacke ist eine Französin (67). «Die Frau war ansprechbar, ich leistete erste Hilfe», sagt Morard. Die Rega fliegt die Touristin mit Kopfverletzungen ins Universitätsspital nach Lausanne. Sie ist ausser Lebensgefahr. Die Französin war mit einer gleichaltrigen Freundin am Wandern. Die beiden Frauen hatten einen Hund dabei.
Yvan Balsiger (63) bewirtschaftet die Alp Au de Morge. «Es ist traurig, dass so etwas passiert ist. Ich bin froh, dass die Frau nicht lebensgefährlich verletzt wurde. Es war aber keine Kuhattacke, die Muttertiere sind nur dem Instinkt gefolgt.»
Auf der Alp hat es Schilder, die auf die Mutterkuh-Herde hinweisen. «Darauf steht unter anderem, dass man Hunde an der Leine führen und im Notfall von der Leine lassen soll», so Balsiger. «Die Frau hat dies leider nicht getan.»
Die Mutterkuh gibt den Ton an
Auch Thomas Jäggi (50) vom Schweizerischen Bauernverband erstaunt nicht, was auf der Walliser Alp passiert ist: «In einer Herde führt oft die Mutterkuh das Kommando. Sieht sie ihr Kalb in Gefahr, stürmt schnell die ganze Herde auf den vermeintlichen Angreifer.»
Hunde werden von Mutterkühen als Gefahr wahrgenommen. «Hunde und deren Gebell mischen eine Herde regelrecht auf», sagt Jäggi. «Die Tiere deswegen unbedingt kurz an der Leine halten! Viele verwechseln die Herde auch mit einem Streichelzoo, dabei sollte man jede Ansammlung von Kühen weiträumig umlaufen.»
Bei einer Kuhattacke rät Jäggi: «Den angreifenden Kühen nie direkt in die Augen schauen. Zur Verteidigung idealerweise einen Stock mitnehmen, ein gezielter Schlag auf die Schnauze kann wilde Kühe durchaus zurückhalten.»
Genau das tat der Hirt am Dienstag nach der Attacke auf der Alp Au de Morge. Er drängte die Herde mit einem Stock zurück.
Rettungssanitäter Morard ist erleichtert: «Es hätte noch viel schlimmer enden können. Ich hoffe, dass die Verletzungen der Frau schnell heilen.»