Adrien Rey-Bellet (75) liegt im Spital – mit schweren Herzproblemen. Am Mittwoch wurde er operiert. Seine Frau Verena Rey-Bellet (65): «Sein Zustand ist stabil, aber über den Berg ist er noch nicht.» Und dann fügt sie mit trauriger Stimme an: «Er sagte mir, wenn er Kevin nicht mehr sehen dürfe, sterbe er lieber.» Auch sein behandelnder Arzt macht sich Sorgen. Er befürchtet, dass das Herz von Rey-Bellet vor Kummer aufhört zu schlagen.
Der Kummer hat mit seinem Enkel Kevin zu tun. Der Sechsjährige sei, so betonte er immer wieder, für ihn der einzige Grund weiterzuleben. Nur wegen ihm hätten er und seine Frau die Kraft gefunden, mit dem Schicksalsschlag vom 30. April 2006 fertigzuwerden.
An diesem Tag erschiesst sein Schwiegersohn Gerold Stadler († 33) seine im dritten Monat schwangere Tochter Corinne und seinen Sohn Alain († 32). Seine Frau Verena verletzt der Killer mit fünf Schüssen – sie überlebt wie durch ein Wunder (siehe Box).
Nun habe man ihnen, sagen die Grosseltern Rey-Bellet, auch noch die letzte Freude am Leben genommen. Der Vormund von Kevin hat den Rey-Bellets verboten, ihren Enkel zu sehen. «Es besteht derzeit kein Recht der Grosseltern auf persönlichen Verkehr mit Kevin», steht in dem amtlichen Schreiben vom 11. Februar 2010.
Psychologin setzte die Kontaktsperre durch
Wie kam es zu dieser drastischen Massnahme? Offiziell wird das Besuchsverbot damit begründet, dass Grossvater Rey-Bellet «an einer anhaltenden, nicht behandelbaren posttraumatischen Belastungsstörung leidet».
Die Psychologin schreibt in ihrem Gutachten: «(...) der Junge wird als kleiner Prinz und einziger Gesprächspartner des Grossvaters behandelt und negativ gegen seine Bezugspersonen beeinflusst.»
Ihre Schlussfolgerung: Kevin, der jeweils von Dienstag bis Donnerstag bei den Grosseltern lebte, sei bei seiner Rückkehr zu den Pflegeeltern jeweils absolut untragbar gewesen. Das Gutachten schliesst mit der Feststellung, dass die Kontakte zu den Grosseltern für Kevin mehr Schaden als Nutzen anrichten.
Dokumente, die SonntagsBlick vorliegen, zeichnen aber noch ein anderes Bild. Die mit der Betreuung von Kevin beauftragte Pflegefamilie – eine Cousine der toten Skifahrerin und ihr Mann – scheint heillos überfordert. Als das Ehepaar sein zweites Kind bekam und die Mutter für eine fünfköpfige Familie sorgen musste, wuchsen ihnen die Probleme über den Kopf. Die Kraft fehlt, sich speziell um Kevin zu kümmern. Man kompensierte die Überforderung offenbar mit einem strengen Erziehungsstil.
«Die Schuld gab man aber vor allem Rey-Bellet und Kevin», sagt Anwältin Dominique von Planta, die die Grosseltern vertritt. Von Planta erhebt schwere Vorwürfe an die Adresse der Pflegeeltern und der Psychologin. «Die Besuchssperre erfolgte vor allem auf Drängen des Pflegevaters und wurde mit Hilfe eines Gutachtens der Psychologin durchgesetzt.» Letztere habe Kevin sogar gedroht, ihn aus dem Wallis zu entfernen, wenn er weiter darauf dränge, seine Grosseltern zu besuchen.
Was sagt die Vormundschaftsbehörde auf die Vorwürfe und die Kontaktsperre? «Bis jetzt wurde das Besuchsrecht ohne behördliche Regelung ausgeübt. Wenn dies nicht funktioniert, dann muss die Vormundschaftsbehörde eine Regelung treffen. Daran arbeiten wir zurzeit», so Andreas Haltinner, Präsident der zuständigen Vormundschaftsbehörde. Die Neuregelung betrifft auch die Eltern des Mörders. Sie haben ebenfalls ein Besuchsverbot erhalten.
Grosi Verena: «Das ist doch nicht normal!»
Verena Rey-Bellet versteht die Welt nicht mehr. «Mit dem Verbot tritt man den Willen meiner toten Tochter Corinne mit Füssen. Sie wollte, dass Kevin bei uns aufwächst, wenn ihr einmal was zustösst.»
Das forderten nach dem Mord an Corinne Rey-Bellet auch über 6000 Personen in einer Petition, welche die Organisation Porte-Bonheur (Glücksbringer) lancierte – darunter Prominente wie Bernhard Russi, Vreni Schneider und Didier Cuche.
Grossmutter Rey-Bellet: «Als meine Kinder ermordet wurden und ich mit fünf Kugeln im Spital lag, war nur noch mein Mann für Kevin da. Er hat in dieser schrecklichen Zeit für ihn gesorgt. Jetzt sagen sie, er schade dem Kind und dürfe es deshalb nicht mehr sehen. Das ist doch nicht normal!»
Nur weil er kurz vor dem Attentat das Haus verliess, bleibt Corinnes Vater Adrien unverletzt. Stadler flüchtet und wird drei Tage später tot in einem Wald bei Huémoz VD aufgefunden. Der Banker und Hauptmann der Schweizer Armee hat sich mit der Dienstwaffe erschossen.
Nur weil er kurz vor dem Attentat das Haus verliess, bleibt Corinnes Vater Adrien unverletzt. Stadler flüchtet und wird drei Tage später tot in einem Wald bei Huémoz VD aufgefunden. Der Banker und Hauptmann der Schweizer Armee hat sich mit der Dienstwaffe erschossen.