Drama an der Jungfrau – 6 Tote
Gab es doch eine Lawine?

Publiziert: 19.07.2007 um 23:28 Uhr
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Aktualisiert: 13.02.2019 um 15:00 Uhr
Von Werner Bucher
LAUTERBRUNNEN BE – Die Armee möchte das Drama an der Jungfrau gerne als normalen Bergunfall sehen, an dem niemand Schuld hat. Aber das funktioniert vermutlich nicht.

Von den sechs Soldaten hat die Schweiz Abschied genommen. Für die Armee hat die Aufarbeitung des Unglücks erst begonnen.

BLICK zeigt, weshalb die Militärs immer mehr unter Druck kommen.

Der Notruf trifft gestern vor einer Woche um 9.55 Uhr per Funk bei der Rega ein: «Lawinenniedergang am Rottalsattel, sieben Leute über 200 Meter ins Couloir gestürzt.»

Der Alarm kommt von einem der beiden Bergführer, welche die 12 Gebirgsspezialisten begleiten. Das bestätigt Rega-Sprecher Thomas Kenner.

Am Nachmittag sind die sechs toten Soldaten in Lauterbrunnen im Air-Glacier-Hangar aufgebahrt. Schulkommandant Franz Nager und Fred Heer, stellvertretender Chef Heer, reden von einer Schneeverwehung. Sie habe sich auf 3800 Metern gelöst und zwei Dreierseilschaften 1000 Meter in die Tiefe gerissen.

Auch Bergführer Harry Sonderegger (42) hat vom Mönch aus ein Schneebrett beobachtet: «Es gab keinen Knall, wie bei einem Lawinenabgang, dafür eine grosse Schneewolke.»

Und Air-Glacier-Rettungschef Bruno Durrer spricht von einer grossen Schneebrettgefahr mit erneuten Lawinenabgängen kurz nach Bergung der sechs toten Soldaten.

Am Sonntag dann die Wende: Militärjustiz-Sprecher Martin Immenhauser bringt einen Augenzeugen ins Spiel. Dieser habe gesehen, wie einer der Soldaten ausgerutscht sei und die anderen mitgerissen habe.

Dieser Hergang würde die Militärs entlasten. Wäre doch das Drama ein normaler Bergunfall. Und damit niemand schuld am Tod der sechs Soldaten.

Am Dienstag nach der Trauerfeier präsentiert das Militär einen Überlebenden. Der Obergefreite B. T.* berichtet, alle seien gestürzt. Von einer Lawine habe er «persönlich nichts bemerkt».

Was die Militärs verschweigen: Einer der begleitenden Bergführer hat sehr wohl einen Lawinen-Abgang beobachtet. Er ruft den jungen Soldaten zu: «Bleibt ruhig, das Schneebrett trifft uns nicht», weiss Georg Flepp, Präsident der Schweizer Bergführer. Kurz danach rutschen alle ab.

Bergführer Sonderegger – er beobachtete ein Schneebrett vom Mönch – schweigt heute. Und der Obergefreite T.* durfte keine heiklen Fragen
beantworten.

Auch das Militär macht jetzt dicht. Heer-Sprecherin Kirsten Hammerich: «Wegen der laufenden Untersuchung können wir zu den Aussagen keine Stellung nehmen.»

* Name der Redaktion bekannt

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