Dragica Kaufmann (27) kam beim Horror-Crash auf der A1 mit blauen Flecken davon
«Ich hatte 100 Schutzengel»

Der Massencrash am Dienstag hat viele Verletzte gefordert. Dragica hat es miterlebt. Ihr Auto ist Schrott, doch sie hat den Unfall, wie durch ein Wunder, fast unversehrt überstanden.
Publiziert: 30.05.2014 um 00:00 Uhr
|
Aktualisiert: 30.09.2018 um 16:50 Uhr
1/7
Lehrerin Dragica Kaufmann entstieg dem Schrotthaufen unverletzt.
Von Ralph Donghi (Text und Fotos)

Zwei dicke blaue Flecken am Bein, ein Kratzer an der Hand. Mehr Verletzungen hat Dragica Kaufmann (27) nicht davongetragen. Ihr Auto ist Schrott. Totalschaden. «Ich hatte bestimmt 100 Schutzengel», sagt die Primarlehrerin aus Arch BE.

Zwölf Verletzte gab es beim Horror-Crash am Dienstag auf der A1 bei Luterbach SO. Im ersten Auto, das vom ausgescherten LKW auf der Gegenfahrbahn gerammt wurde, sass Dragica Kaufmann.

Sie kommt gerade vom Unterricht, fährt mit ihrem schwarzen Renault Clio auf der A1 heimwärts. «Um 12.25 Uhr schaute ich auf die Uhr und freute mich so, dass ich bald bei meiner kleinen Tochter bin», erzählt sie.

Kaufmann fährt auf der linken Spur. «Da sah ich auf der Gegenfahrbahn, nur etwa 20 Meter entfernt, wie plötzlich ein blauer LKW nach rechts kam. Ich sah, wie er die Mittelleitplanke abrasierte – und direkt auf mich zuraste!» Sie habe nur noch gedacht, jetzt sei alles fertig.

Kaufmann hat unfassbares Glück. «Ich konnte noch ein ganz wenig nach rechts lenken, dann erfasste der LKW meinen Clio hinten links», sagt sie. Das tonnenschwere Gefährt schleudert den Kleinwagen in die Luft. Das Auto überschlägt sich. Kaufmann: «Ich sah nur noch Schwarz, schloss meine Augen und hielt das Steuer fest.»

Der Clio fliegt mit der Front rechts in einen anderen LKW, überschlägt sich nochmals. Sie denkt nur: «Bitte, lass mich das überleben.» Der Wagen landet auf dem Dach, schlittert 30 Meter über die Fahrbahn. Dann steht er endlich still. Dragica Kaufmann hängt kopfüber im Auto. Sie sagt: «Plötzlich fing es an zu stinken. Ich hatte Angst, dass Feuer ausbricht.»

Die junge Lehrerin löst ihren Sicherheitsgurt und klettert zur Beifahrertüre hinaus. «Da war nicht mehr viel Platz. In dem Moment dachte ich auch nicht daran, dass einer in mich reinfahren könnte. Ich wollte nur noch raus.»

Dann sieht sie das ganze Ausmass des Crashs. «Es war ein grosses Trümmerfeld. Ich traute mich gar nicht, zu den anderen Unfallfahrzeugen zu gehen.» Auf der Gegenfahrbahn hält ein Mann und kümmert sich um sie. Es ist SP-Nationalrat Philipp Hadorn (47). Er kann kaum glauben, dass sie lebend aus dem Clio-Wrack gekraxelt ist. Er gibt der geschockten Frau sein Handy, damit sie Ehemann Misha (30) anrufen kann.

Kurz darauf kümmern sich Sanitäter um die Opfer, bringen Dragica Kaufmann zum Verletztenzelt. Dort trifft sie den Unfall-Chauffeur (25). «Er hat sich 1000-mal bei allen entschuldigt.»

Kaufmann muss kurz ins Spital, kann aber noch am gleichen Abend zu Hause ihre 18 Monate alte Tochter Kristina in die Arme schliessen und an sich drücken. Ein bisschen fester als sonst.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?