Nach dem gewaltsamen Tod von Baby Leon (8 Wochen) im Jahr 2010 und den Verletzungen seines Schwesterchens Jana eineinhalb Jahre später drängen die Solothurner Behörden auf Aufklärung. Sie ermitteln gegen das Elternpaar Michelle F.* (28) und Fabian N.* (31). Seit Jahren läuft das Verfahren – gestern teilten die Behörden mit, dass die Mutter entlastet, der Vater hingegen immer noch verdächtigt sei (BLICK berichtete).
Was Mutter Michelle in den letzten Jahren nicht ahnt: In ihrem Umfeld etablieren sich verdeckte Ermittler – sie freundet sich mit einer «Lilly» an, die sogar ihre beste Freundin wird und auch mehrmals bei ihr übernachtet. Der Anwalt der Mutter schildert den Fall in der juristischen Fachzeitschrift «Plädoyer», wie die «Solothurner Zeitung» heute publik macht.
«Dein Anwalt ist nicht Gott, Mausi»
Die Zeitung berichtet, dass zwischen 2012 und 2015 insgesamt sechs Personen im Umfeld der Mutter verdeckt ermittelten, sie aushorchten und versuchten, belastende Aussagen oder ein Geständnis zu erhalten. «Lilly», wie der Anwalt die verdeckte Ermittlerin in dem Artikel nennt, habe in ihrer Rolle als beste Freundin die Mutter Michelle F. aufgefordert, Aussagen gegenüber den Ermittlern zu machen.
Laut ihrem «entsetzten» Anwalt Alain Joset, wie er über sich selbst schreibt, ging die Ermittlerin damit zu weit. «Als die Mutter ‹Lilly› zu erklären versuchte, weshalb ihr Verteidiger ihr geraten hat, vom Aussageverweigerungsrecht Gebrauch zu machen, erwiderte die Polizistin: ‹Dein Anwalt ist nicht Gott, Mausi.›»
Joset ist noch immer der Auffassung, dass das Vorgehen der Solothurner Staatsanwaltschaft sehr problematisch war, was die Persönlichkeitsrechte von Michelle F. anbelangt: «Der Zweck heiligt nicht die Mittel», sagt er gegenüber BLICK. «Es ist ein Unterschied, ob sich ein verdeckter Ermittler im Drogenhandel als Scheinkäufer aufspielt um in einem kriminellen Umfeld zu ermitteln. Dieses Umfeld war familiär und privat», sagt er weiter.
Verdeckte Ermittler wurden enttarnt
Unbestritten ist: Bei schweren Straftaten dürfen die Strafverfolgungsbehörden verdeckt ermitteln. Die Frage ist, wie weit sie dabei gehen dürfen. Das Bundesgericht hielt fest, dass dies bei einer Anklage das zuständige Gericht beurteilen müsse.
Überbordet hat die Staatsanwaltschaft laut «Solothurner Zeitung» jedoch mit der Hausdurchsuchung bei der Verdächtigen, wie das Bundesgericht festhielt: Dabei wurden alle Fotos gelöscht, auf denen die verdeckten Ermittler zu sehen waren. Grund: Die Verteidigung von Mutter Michelle F. hatte die verdeckten Ermittler – ihre neuen Freunde – enttarnt.
Sie leide heute unter dem massiven Vertrauensmissbrauch, schreibt ihr Anwalt. Er will nun prüfen, ob ihre bereits zugesprochene Entschädigung von 25’000 Franken zu niedrig ist.
Laut Mediensprecherin Cony Zubler wird der Staat Solothurn die Entschädigugn übernehmen: «Die Mutter wird gemäss gesetzlicher Grundlage angemessen entschädigt werden», sagt sie zu BLICK.
* Namen der Redaktion bekannt
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