Der Tatort-Reiniger von Würenlingen AG
«Ich sehe die Tat wie einen Film vor mir»

Vor dem Haus der Familie L.* in Würenlingen AG trifft BLICK auf Tatort-Reiniger. Francesco Brighina ist einer von ihnen. Er muss die Spuren der Bluttat vom 9. Mai beseitigen.
Publiziert: 20.05.2015 um 17:51 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 06:05 Uhr
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In seiner Pause spricht Francesco Brighina (53) mit BLICK.
Foto: Ralph Donghi
Von Ralph Donghi (Text und Fotos)

Unruhe gestern in Würenlingen AG. Nach der Bluttat vom 9. Mai sind vor dem Haus von Familie L.* wieder Leute in weissen Overalls, Masken, Handschuhen und Geräten beim Tatort zu sehen. BLICK spricht einen der Männer an. Es sind Tatort-Reiniger. «Ich habe hier einen Auftrag auszuführen», sagt Francesco Brighina (53).

Der Sizilianer aus Buchs AG muss die Spuren des Verbrechens im Haus beseitigen. Die Opfer: Karl L.* († 57), dessen Frau Elisabeth († 59) und deren Sohn Jonas († 31). Schwiegersohn Semun A.* († 36) erschoss sie. Nachbar Thierry K.* († 45) wurde vor dem Haus getötet, bevor sich der Täter selbst umbrachte.

«Ich sehe wegen der Spuren und meiner Erfahrung die Tat wie einen Film vor mir. Aber ich darf nichts dazu sagen, was sich im Haus Schreckliches abgespielt hat», sagt Brighina.

Aber er ist bereit, von seinem nicht alltäglichen Job zu erzählen. Der geschiedene dreifache Vater hatte «schon immer ein Flair fürs Putzen». So gründete er 1989 ein eigenes Reinigungsinstitut.

«Anfangs putzten wir noch WCs», sagt Brighina. «Doch vor rund fünf Jahren haben wir damit begonnen, Tatorte zu reinigen.» Er beseitigt die Spuren von Morden, Angriffen, Unfällen, Suiziden oder von Messies.

«Man weiss nie, was auf einen zukommt, wenn man die Tür öffnet», sagt Brighina. «Teilweise sieht es aus wie in einem Horrorfilm.» Trotzdem sei seine Arbeit bei einem Mord einfacher als in einer Messie-Wohnung. «Was wir dort antreffen, ist oft viel schlimmer.»

Meist wird Brighina von Polizei, Bestattern oder Angehörigen aufgeboten. «Ich darf erst zum Tatort, wenn die Spurensicherung vorbei ist. Die Angehörigen verzichten meist darauf, den Tatort zu sehen.» Er selber führt seinen Job «nüchtern» aus. «Man gewöhnt sich mit den Jahren daran. Das Blut verfolgt mich auch nicht in meinen Träumen.» Dennoch erinnert er sich an seinen ersten Tatort: «Ein Mann hatte sich in einem Keller mit einem Gewehr erschossen. Alles war voller Blut.» Es komme schon mal vor, dass man dann ganze Teppiche, Böden, Wände und Decken rausreissen und spezielle Mittel einsetzen müsse. «Wir wollen den Raum den Angehörigen ja sauber übergeben, damit sie nicht allzu sehr an die Tat erinnert werden.»

Brighinas grösste Angst: «Dass ich mal Kinderblut wegputzen muss. Das war bei mir zum Glück noch nie der Fall.» Doch er ist und bleibt ein Profi: «Ich würde natürlich auch dies erledigen.»  * Namen d. Red. bekannt

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