Der Syrer Obada (20) erzählt BLICK von seiner gefährlichen Flucht
Horrortrip ins Paradies

Im Gespräch mit BLICK schildert der IT-Student wie er aus seiner Heimatstadt Dara mit vielen Umwegen nach Deutschland flüchtete. Aus Platzgründen erlaubten die Schlepper kein Gepäck. Bei Fragen bedrohten und schlugen die Schlepper die Flüchtlinge.
Publiziert: 28.11.2014 um 20:37 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 20:54 Uhr
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In Sicherheit: Obada lebt zurzeit in St. Blasien, nahe der Schweizer Grenze.
Foto: Joseph Khakshouri
Von Guido Felder (Text) und Joseph Khakshouri (Foto)

Der 20-jährige Obada sitzt in seinem Zimmer einer Asylunterkunft in St. Blasien nahe Waldshut (D). Die Sonne drückt durch den Nebel, die Blätter rauschen, ein Bach plätschert. Nur wenige Kilometer sind es vom Klosterdorf bis zur Schweizer Grenze.

«Es ist wunderschön hier, aber ich vermisse das Leben der Stadt», sagt Obada. Der IT-Student stammt aus dem südsyrischen Dara, der Stadt, in der die Protestbewegung gegen Präsident Bashar al-Assad begann.

Mitte Juli floh der junge Mann aus Syrien, weil ihn die Armee einziehen wollte. Seine Flucht führte per Flugzeug nach Algerien, wo ihm Schlepper für die Fahrt nach Libyen 800 Dollar abknöpften. «Wie Schafe wurden wir in die Lastwagen gepfercht – die Beine angezogen. Die Fahrt durch die Wüste dauerte 15 Stunden. Dann kamen wir in der libyschen Küstenstadt Zuwara an.»

Am Hafen warteten Tausende Flüchtlinge auf die Überfahrt nach Italien. Die kostete Obada weitere 1000 Dollar. Doch zunächst musste er warten: 15 Tage lang hauste er mit 100 Leuten in einem Raum. Wenn es überhaupt einmal etwas zu essen gab, waren es Thon aus der Büchse oder Streichkäse von «La vache qui rit». Dazu etwas Wasser, um das sich die Flüchtlinge bei 45 Grad Hitze stritten. Keiner wusste, wann die Überfahrt stattfinden würde.

Obada: «Wenn jemand zu fragen wagte, wurde er mit einer Waffe bedroht und geschlagen. Die Schlepper sind Gangster, sie kennen keine Gnade.»

Gepäck war aus Platzgründen verboten. Obada trug nur Pass, Handy, 1500 Dollar sowie Kopien der Studienpapiere auf sich. Schliesslich musste er durch bauchtiefes Wasser zu einem zweistöckigen Schiff waten – einem Rosthaufen! Beim Besteigen wurden viele Passagiere von den Schleppern geschlagen und sogar bestohlen.

«Wir waren 900 Leute, ich fand einen Platz auf dem Oberdeck», sagt Obada. Für eine Schwimmweste legte er 50 Dollar extra drauf.

Drei Stunden dauerte die Fahrt nur, dann legte der Kapitän wieder in Zuwara an. Wegen des Gewichts war Wasser ins Schiff eingedrungen! Familien und Schwangere stiegen aus, dann wurde der rostige Kahn erneut auf die Reise geschickt. Obada hörte den Kapitän tele­fonieren: «Die Chance liegt bei 90 Prozent, dass wir sinken.»

Ein Horror! Obada überlegte: «Soll ich springen, wenn wir sinken? Wie werde ich sterben?»

Die Flüchtlinge verbrachten 24 Stunden in Kauerstellung. So gab es mehr Platz und mehr Profit für die Schlepper. «Ich traute mich nicht, mich zu bewegen. Jede Positionsänderung bedrängte die Nachbarn. Zudem hätte man mit zu starken Bewegungen das überfüllte Schiff aus der Balance bringen können.»

Die Verrichtung der Notdurft war zweitrangig. Man liess fahren, wo man gerade sass. Obada: «Das Schiff war eine riesige Kloake.» Es gab Streit wegen Kleinigkeiten. Von Kollegen auf anderen Schiffen hatte Obada gehört, dass sich Flüchtlinge sogar gegenseitig ins Meer werfen.

Mitten in der Nacht gab der Motor den Geist auf. «Es war nichts um uns herum. Einfach dunkel. Die Leute schrien vor Angst», sagt Obada. Erst nach zehn Stunden kreuzte ein italienisches Kriegsschiff auf, das die Flüchtlinge auf drei Tanker verteilte. Der gefährliche Rostkahn wurde vor Ort versenkt.

Die Schiffe brachten die Flüchtlinge, vor allem Syrer, nach Catania auf Sizilien. Mit seinem restlichen Geld kaufte sich Obada ein Bahnticket und fuhr via Mailand, Nizza und Paris nach Mannheim. Am 12. August kam er dort an.

«Von der Schweiz wusste ich, dass sie sehr teuer ist. Ich wollte nach Deutschland, weil Flüchtlingen hier gut geholfen wird und ich vielleicht gratis weiterstudieren kann», sagt Obada hoffnungsvoll.

Jetzt wartet er auf Bescheid, ob er in Europa bleiben kann. Zu seinen Eltern und drei Geschwistern hat er kaum Kontakt, ihr Haus ist im Bürgerkrieg zerstört worden. Obada ist Sunnit und hofft auf ein gnädiges Schicksal.

«Ich bin froh, bin ich weg aus Syrien. Wer sich dort weigert, Militärdienst zu leisten, wird verhaftet. Und keiner weiss, was mit den Gefangenen passiert.»

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