Der Koran und die Frauen
Allah ist kein Mann!

Immer mehr Frauen treten aus der katholischen Kirche aus, weil sie sich nicht vertreten fühlen. Wie sieht es mit dem Islam aus? Welche Rolle schreibt ihnen der Koran tatsächlich zu?
Publiziert: 25.11.2018 um 21:37 Uhr
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Aktualisiert: 26.11.2018 um 00:43 Uhr
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SonntagsBlick-Praktikantin Dafina Eshrefi ist praktizierende Muslima. Sie liest tägich im Koran.
Dafina Eshrefi

Als 17-jährige Gymnasiastin in Winterthur ZH wollte 
ich gerne das islamische Pflichtgebet erlernen, eine der fünf Säulen im Islam. Das war im Jahr 2000.

Meine frühe Kindheit habe ich im kosovarischen Pristina verbracht. Als geborene Muslima bin ich mit dem Islam aufgewachsen. Doch als ich die albanische Moschee in Winterthur anrief und nach einem Koran- und Gebetsunterricht fragte, war ich bei meinem Glaubensbruder am anderen Ende der Leitung alles andere als willkommen. «Wir bieten nichts für Frauen an!», hiess es schroff.

Auch 18 Jahre später ist es schwierig bis unmöglich, als gläubige, praktizierende Muslima die patriarchalischen, teils frauenfeindlichen Strukturen der selbsternannten männlichen Wissens-Elite zu durchbrechen.

Allah hat kein Geschlecht

Besonders dann, wenn frau auf ihrem gottgegebenen Recht besteht (Koran 96:1), das heilige Buch selber zu lesen oder gar den Versuch wagt, es zu interpretieren.
«Wer bist du schon?!», heisst es dann oft von scheinbar frommen Muslimen. Als müsste ich einen Doktortitel in Islamwissenschaften vorweisen, um an einer Debatte über die Inter­pretation des Korans teilnehmen zu dürfen.

Die patriarchalische Sichtweise ist dermassen in den Köpfen der Muslime eingeprägt, dass ich als Frau scheinbar keine andere Wahl habe, als mich ihr zu fügen. Doch der Koran beschreibt Gott nicht als Vater. Vielmehr lehrt er uns, dass er nicht geschaffen wurde – und somit keinem 
Geschlecht zugehört.

Liebe als Grundlage der Ehe im Koran verankert

Allah ist kein Mann! Er ist der Schöpfer aller Welten. Väter und Vaterschaft werden im Koran nicht heiliggesprochen, im Gegenteil: «Den Fussspuren der Vorväter zu folgen», führt von Gottes Weg ab (z. B.: Koran 2:170, 43:22–25). Das widerlegt meiner Meinung nach das Patriarchat. Der Koran hat den Männern keine Vorherrschaft über die Frauen erteilt. Vielmehr sollen sich beide als Leitfiguren ergänzen. Liebe soll die Grundlage ihrer Ehe sein. Und das schon im 7. Jahrhundert!

Der Vers über das «Frauenschlagen» wird haltlos, wenn man bedenkt, dass das Wort, welches mit «schlagen» übersetzt wird, von «daraba» abstammt, das mehrere Bedeutungen hat, unter anderem «sich trennen»! Zudem macht Gott im Koran keinen Unterschied zwischen Mann und Frau. Entgegen der landläufigen Meinung steht im Koran nirgends geschrieben, dass die Frau aus der Rippe oder der Seite des Mannes entstanden sein soll. Im Gegenteil, der Koran lehrt uns, dass Allah die Menschen aus 
einem einzigen Wesen erschaffen hat (Koran 4:1). Ob der Mann vor der Frau erschaffen wurde, ist im Koran nicht der Rede wert. Beide sind vor Gott gleich. Sie werden an ihren Taten gemessen und nicht an ihrem Geschlecht.

Jede Seele wird vor ihren Schöpfer treten

Natürlich erkennt der Koran die biologischen (sexuellen) Unterschiede zwischen Mann und Frau. Es gibt jedoch kein Konzept eines geschlechtsspezifischen Mannes oder einer geschlechtsspezifischen Frau. Doch wo Frauen kein Mitspracherecht haben, müssen sie sich den Männern fügen. Vor allem dort, wo autoritäre, diktatorische Strukturen herrschen.

Es bleibt meist Männern vorenthalten, und zwar nur bestimmten Männern, im Namen Gottes zu sprechen. Dies ist nicht im Sinne des Korans. Schliesslich wird eines Tages jede Seele für ihre Taten selbst Rede und Antwort stehen müssen.

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