Die Tarnung schien perfekt: Roland M.* (47), Ehemann und Vater von zwei Söhnen, lebt in Bönigen BE in einem typischen Berner Holzhaus mit Garten. Der Schreiner ist unscheinbar, seine Nachbarn beschreiben ihn als freundlich.
Doch im Internet ist Roland M. ein anderer Mensch. Auf Facebook verwandelt er sich in die 14-jährige Anita Bösiger aus Spiez BE. Mit einem falschen Profilbild von einem Mädchen mit langen, braunen Haaren und Hip-Hop-Chäppli geht der Pädophile auf Buben-Fang.
Chat-Name Anita
«Mich schrieb er vor zirka zwei Jahren unter dem Namen Anita an», sagt Dominic (15), Realschüler aus Bönigen. «Er schrieb: ‹Wie gehts? Was machst du?›»
An der Schule in Bönigen, wo auch die Söhne von Roland M. zur Schule gehen, schreibt der Handwerker noch weitere Buben an. «Ich habe Anita als Freundin akzeptiert, weil sie auf dem Profilfoto natürlich und süss aussah. Sie machte ein herziges Gesicht mit einem Schmollmund», erzählt Mario (16). «Zuerst schrieb sie: ‹Kennen wir uns?› Dann haben wir immer wieder hin und her geschrieben, über Musik geredet, Hobbys und über unsere Lieblingsfilme.»
Doch bei diesen harmlosen Fragen bleibts nicht. «Irgendwann fragte Anita, ob ich im MSN-Chat sei, sie wolle mit mir ‹Cam-Sex›, also Sex über eine Videokamera machen.» Mario wird misstrauisch, meldet den Vorfall der Schule.
Zum Sex genötigt
Auch Dominic wurde misstrauisch, beendete den Kontakt. Die beiden hatten Glück. Denn viele Minderjährige tappten in die Sex-Falle: Seit 2009 missbrauchte Roland M. 44 Buben aus der Region. Die Teenager schickten «Anita» Sexfotos von sich. Damit erpresste der vorbestrafte Pädophile die Kinder. Manche nötigte er sogar zum Sex (BLICK berichtete).
Im Spätsommer 2011 wird Roland M. verhaftet. «Dass er im Gefängnis ist, erfuhr ich von seiner Frau», sagt eine Nachbarin. «Spätabends um 23 Uhr hat ihn die Polizei aus dem Bett geholt.»
In der 2300-Seelen-Gemeinde führt Roland M. lange ein zurückgezogenes, unauffälliges Familienleben. «Am Dorfleben hat er sich nicht beteiligt. Er winkte zwar, wenn ich ihn auf der Strasse grüsste, doch auf einen Schwatz liess er sich nie ein», sagt eine Nachbarin.
«Die Söhne tun mir bei diesem Skandal am meisten leid. Sie gehen noch zur Schule», sagt eine Gemeindeangestellte. Seine Arbeitsstelle als Schreiner hat Roland M. schon vor seiner Verhaftung verloren.