Das Zwillings-Drama von Horgen
Warum machten Eltern ein Geheimnis um Tod ihres ersten Babys?

HORGEN ZH – Die kleine Lisa. Sie wurde nur 50 Tage alt. Dann starb sie in ihrem Bettlein. Damals attestierte man: plötzlicher Kindstod. Jetzt wird ihr Fall neu aufgerollt.
Publiziert: 27.12.2007 um 23:07 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 21:43 Uhr
Von Karin Baltisberger und Martin Meier

Die Todesanzeige erschien am 14. Juli 1999. Amtlich nüchtern hiess es: «Horgen. B.*, Lisa, heimatberechtigt gewesen in Sarnen OW, wohnhaft gewesen in Horgen. Alter: 1 Monat, 19 Tage.»

Jetzt, 8 Jahre später, untersucht die Zürcher Staatsanwaltschaft den Tod des Babys. Seine Eltern sitzen in Untersuchungshaft. Bianca (34) und Franz B. (39) sind eines schrecklichen Verbrechens verdächtig: Sie sollen ihre siebenjährigen Zwillinge Céline und Mario getötet haben. Erstickt in der Nacht auf Heiligabend.

«Ich werde den ersten aussergewöhnlichen Todesfall aufrollen und in die Ermittlungen einbeziehen», sagt Staatsanwalt Markus Oertle. «Ob die Kleine exhumiert wird, habe ich noch nicht entschieden.»

Lisas Tod hielten der Bauunternehmer B. und seine Frau selbst vor engsten Verwandten geheim. «Erst nach der Beisetzung erfuhren wir es», sagt ein Familienangehöriger.

«Plötzlicher Kindstod, hiess es damals.» Die Mutter habe das Baby leblos im Bettchen im Kinderzimmer gefunden.

Ein Jahr wohnte die Familie da bereits in der Wohnung im Horgener Weiler Arn. Dort, wo die Polizei Sonntagnacht Célines und Marios Leichen entdeckte.

Doch wie starb Lisa wirklich? Für die Behörden schwierig nachzuweisen. Beim plötzlichen Kindstod fehlt immer die Todesursache. «Es handelt sich um eine Ausschlussdiagnose», sagt Daniela Barbon (38), Oberärztin am Zürcher Institut für Rechtsmedizin. «Das heisst, dass der Arzt alle erkennbaren natürlichen und nicht natürlichen Ursachen wie zum Beispiel Infektionen, Herzfehler oder Hirnhautentzündung ausschliessen kann.»

Damals fanden die Ärzte nichts. Lisas Tod blieb ein Mysterium. 8 Jahre später haben es die Rechtsmediziner noch schwieriger. Laut Barbon können «gewisse Todesursachen» wegen der fortgeschrittenen Verwesung nicht mehr festgestellt werden. Auch Ersticken.

Noch fehlt scheinbar auch das Motiv für das Delikt an Céline und Mario. Der Bruder von Franz B. sagte zu «Radio 24»: «Es gab keine Anzeichen.» Geldprobleme habe Franz nicht gehabt: «Er wäre zu mir gekommen. Wir Geschwister hätten ihm Geld geliehen. Sein Geschäft lief ordentlich. Ich habe nie gehört, dass mein Bruder Schulden gehabt hätte», so der Landwirt.

Franz und Bianca B. – auch auf Aussenstehende wirkten sie wie ein Ehepaar ohne Sorgen. «Ihre Beziehung schien glücklich. Bianca war sicher der bestimmende Part, aber Franz störte das nicht» , sagt ein Bekannter. «Die Kinder haben sie beide sehr behütet.»

Eine Nachbarin erzählt, wie sich die Zwillinge auf Weihnachten gefreut haben. «Auf dem Balkon der Unglückswohnung brennt noch immer die Weihnachtsbeleuchtung. Schrecklich.»

Zuletzt in der Schule waren die beiden Erstklässler am Freitag. Sie feierten Schulsilvester. «Sonst spielten sie am Sonntag immer auf dem Schulhausplatz. Dieses Wochenende fehlten sie», sagt ein Spielkamerad.

*Namen der Redaktion bekannt

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