Das Werk seines Namensvetters kostet eine halbe Million
Dieses Hodler-Gemälde gibts für 300 Fr im Brocki

Sie waren beide Maler, doch ihre Leben hätten unterschiedlicher nicht sein können. Das Werk des einen hängt heute für eine halbe Million in einer Kunstgalerie, das des anderen verstaubt im Brockenhaus.
Publiziert: 21.09.2019 um 13:01 Uhr
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Aktualisiert: 21.09.2019 um 13:02 Uhr
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Ein Hodler-Gemälde im Brocki, für schlappe 300 Franken. Das gibt es nicht alle Tage.
Foto: Valentin Rubin
Valentin Rubin

Der eine, Ferdinand, ist enorm erfolgreich. Der andere, Hermann, steht kaum im Rampenlicht. Die Gemälde von Ferdinand sind auf dem Kunstmarkt begehrt. Hermanns Werke finden wenig Beachtung. Ferdinand gilt schon zu Lebzeiten als einer der bedeutendsten Schweizer Maler. Hermann wird nur sporadisch als einflussreicher «bernischer» Maler bezeichnet. Hermann und Ferdinand haben aber eines gemeinsam: den Nachnamen Hodler.

Der Grat zwischen Erfolg und Bedeutungslosigkeit ist oft schmal. Am Beispiel der beiden Männer ­namens Hodler zeigt sich das. Zwar sind Ferdinand (1853–1918) und Hermann (1888–1965) verwandt – wenn auch nur entfernt. Beide stammen aus dem Kanton Bern ­ und haben sporadisch brieflichen Kontakt. Das Verhältnis zwischen den beiden ist aber bestenfalls ­distanziert.

Hermann bittet den grossen Ferdinand 1910 um eine Bewertung des eigenen Werks und schickt ihm einige Arbeitsproben. Dieser antwortet per Brief und meint: «Die blaue Landschaft darin ist sehr schön.» Weit wird es Hermann deswegen nicht bringen.

Hermann kann mit Ferdinand nicht mithalten

Genau genommen hat es Hermann Hodler bis ins Brockenhaus Hiob in Bern-Breitenrain geschafft. Dort hängt heute ein Bild von ihm. Wer es gebracht hat, kann die Mitar­beiterin nicht genau sagen. Es sei aber eine Privatperson gewesen. Zwischen verstaubten Weingläsern, alten Schränken und Secondhand-Kleidern wartet die Flöte ­spielende junge Frau nun schon seit einem Monat auf einen Käufer. Bisher interessiert sich niemand für sie.

Zeitgleich erscheint auf der Frontseite der NZZ-Samstagsaus­gabe ein Inserat der Kunstgalerie Schaer und Wildbolz. Darin wird ein Porträt einer jungen schwarzhaarigen Frau beworben. Es handelt sich um das «Bildnis Lina Crot» von Ferdinand Hodler. Sie spielt kein Instrument, sondern blickt ernst ins Bild. Was die beiden Gemälde unterscheidet: der Maler. Und: der Preis. Ferdinands Porträt ist das teuerste Gemälde, das die Galerie momentan zum Verkauf anbietet. 590 000 Franken. Da kann Hermann nicht mithalten.

Dabei beginnt seine Karriere vielversprechend. Hermann lernt sein Metier Anfang des 20. Jahrhunderts in Deutschland und Italien. Als «Berner mit dem Wesen eines deutschen Romantikers und dem italienisch-klassizistischen Formgefühl» wird er noch 1936 in einer Schweizer Monatszeitschrift beschrieben. Eine Kombination, die ihm Lob einbringt: «Alles ist aufs Sorgfältigste abgewogen, die Stärke seiner Kunst besteht in der Komposition.» Dabei bleibt es dann aber auch. Ferdinand Hodler ist zu diesem Zeitpunkt schon 18 Jahre tot, Hermann schafft es nie richtig, sich von seinem Namensvetter abzuheben.

Eine Belastung für Hermann

Zwei Künstlerleben, die sehr unterschiedlich verlaufen sind. Hermann bemüht sich zwar nie vollends, den Durchbruch zu schaffen. Wie kann es aber sein, dass die beiden Maler solch verschiedene Karrieren hingelegt haben? Urs Lanter, Kunsthistoriker und Kenner von Ferdinand Hodlers Werk, meint dazu: «Hermann Hodler war ein konventioneller Maler. Er wurde zu Lebzeiten ­gelobt, aber er malte so, wie es damals gelehrt wurde. Sehr akademisch und brav. Ferdinand war da mutiger, innovativer und experimentierfreudiger. Auch deshalb ist er heute so bekannt. Für Hermann hingegen war der Name Hodler wohl eher eine Belastung.»

Hermann Hodler, ein durchschnittlicher Nachfolger eines grossen Künstlers, dem dennoch zum 100. Geburtstag 1988 eine Ausstellung in Aarberg BE gewidmet wurde. Briefe zeugen vom Verhältnis der beiden Männer. Als Ferdinand im Mai 1918 stirbt, ist Hermann in Rom und schreibt an seinen Bruder: «Nun ist also der grosse Hodler gestorben. Ich muss jetzt sehen, dass ich um jeden Preis etwas zustande bringe, das sich neben diesem halten kann.»

Der Name ist entscheidend für den Preis

Das gelingt ihm nicht. Umso bezeichnender, dass ein Gemälde seines Namensvetters Ferdinand, der «Genfersee von Saint-Prex aus», 2007 für über 10 Millionen Franken an eine Privatperson versteigert wurde. Der höchste jemals erzielte Auktionspreis für ein Werk eines Schweizer Malers.

Heute, 2019, verstaubt Hermann Hodlers Gemälde hingegen im Brockenhaus. Kostenpunkt: 300 Franken. Ein Schnäppchen für einen Hodler. Oder eben doch nicht. Denn in der Kunst ist wie so oft der Name ausschlaggebend für den Preis. Der volle Name.

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