Die Kirchenglocken in Sessa TI schlagen in Moll. Pfarrer Don Alessandro (56) soll nach sechs Jahren Hirtendienst versetzt werden. Das löst in der Südtessiner Gemeinde Trauer und Wut aus.
Die «Schäfchen» laufen Sturm, sammeln Unterschriften. «Fast 500 in nur zehn Tagen», sagt der Sprecher der Bürgerinitiative, Marco Losa (55). Jeder dritte im Kreis Sessa hat sich in die Liste eingetragen. Ein Transparent am Ortseingang fordert: «Hände weg von Don Alessandro!»
Krisensitzungen mit dem Pfarramt, Audienzen beim Bischof in Lugano – alles ist ergebnislos. Don Alessandro soll am 17. August seinen Säckel schnüren und nach Sonvico TI weiterziehen. Das sei das übliche Rotationsprinzip, erklärt die Kurie.
Rufen die Sessaner den Papst?
Doch die Sessaner lassen nicht locker. «Wenn es sein muss, wenden wir uns an Rom, bitten den Heiligen Vater persönlich darum, Don Alessandro bei uns zu lassen», erklärt Losa.
Vor sechs Jahren übernahm Alessandro de Parri aus Viterbo (I) bei Rom die Pfarrgemeinde im Malcantone. «So einen guten Priester finden wir nie wieder», sagt Giovanna Vink (62).
«Er ging zu jedem ins Haus, strich die Wände der Kirche», erklärt ihr Mann, Ex-Banker Jan Vink (61). «Selbst bei Volksfesten packte er mit an», fügt der pensionierte Tischler Günter Bucksch (63) hinzu.
Die Wirtin der Dorfbeiz, Elena Casona (47) erinnert sich: «Als vor zwei Jahren mein 17-jähriger Sohn Gianmarco bei einem Autounfall starb, verlor ich den Glauben an Gott. Don Alessandro gab ihn mir zurück.»
Keine Freude über den Nachfolger
Der Abschied von Don Alessandro schmerzt besonders, weil man mit der Wahl seines Nachfolgers nicht einverstanden ist. Don Sandro Colonna (64) soll das Amt übernehmen.
Er flog im Februar 2014 aus seiner Pfarrgemeinde im Onsernonetal. Grund, so Tessiner Medien: Gewalttätigkeit gegen Kinder. «Wir sind entsetzt», sagt Susanne Losa (34), Mutter von Giacomo (7) und Evita (5).
Der neue Geistliche würde 100 Kinder unterrichten – oder auch nicht. Denn die Sessaner planen bereits einen Boykott der Religionsstunden und der Messen.
Das Pfarramt weist in einem Communiqué alle Vorwürfe von sich, stellt sich hinter den neuen Mann: «Wir haben keine Zweifel an der Fähigkeit und Kompetenz von Don Sandro Colonna.»