Das ist das Hasch-Mami (†65) von Malters LU
Könnte Ursula R. noch leben?

Nach 17-stündigem Belagerungszustand nahm sich Ursula R.* (†65) das Leben. Jetzt kommt raus: Bei dem Einsatz lief einiges schief, die Polizei ignorierte laut «SRF Rundschau» diverse Warnungen.
Publiziert: 24.08.2016 um 07:00 Uhr
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Aktualisiert: 28.09.2018 um 15:00 Uhr
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Zuerst erschoss die Frau das Büsi, dann sich selbst.
Foto: zVg

Eigentlich hätte es ein Routine-Einsatz werden sollen. Nach der Festnahme von Grossdealer Daniel O.* (47) schickten die Zürcher Strafverfolgungsbehörden im März 2016 ihre Luzerner Kollegen zur Hausdurchsuchung. Sie vermuteten in der Alten Mühle in Malters LU eine Indoor-Hanfanlage.

Dort treffen die Beamten auf Ursula R.* (65), die Mutter des Verhafteten. Die paranoide Frau weigert sich, zu öffnen und droht, sich zu erschiessen. Sie ist bewaffnet. Kurze Zeit später fallen zwei Schüsse. Ein 19-stündiger Nervenkrieg beginnt. Er endet mit dem Selbstmord von Ursula R. und vielen offenen Fragen.

Offenbar hätte der Tod des Hasch-Mamis verhindert werden können. Wie die «Rundschau» (heute 20.55 Uhr, SRF 1) berichtet, lief beim Einsatz einiges schief. Hauptvorwurf: Die Sondereinheit Luchs stürmte auf Befehl der Luzerner Polizeiführung die Wohnung, obwohl ein anwesender Polizeipsychologe dringend davon abgeraten hatte: «Irgendwann ist die Frau erschöpft und man hat die Möglichkeit, die Situation ohne Eskalation zu beenden.» Er warnte: «Aufgrund von Reizüberflutung und der Intervention könnte sich die Frau das Leben nehmen.» Ein Hinweis, der nur eine Stunde später bittere Realität wurde.

Pikant: Der Luzerner Polizeikommandant Adi Achermann wies im Rahmen einer Pressekonferenz sofort darauf hin, dass der Entscheid zur Stürmung im Team entschieden worden sei – unter Einbezug aller Beteiligten. Explizit nannte er den Polizeipsychologen, der ja genau das Gegenteil gefordert hatte.

Strafverfahren gegen Polizeibeamte

Mittlerweile läuft ein ausserkantonales Strafverfahren wegen fahrlässiger Tötung gegen den Polizeikommandanten und Kripochef Daniel Bussmann.

Rechtsanwalt Oskar Gysler vertritt den Sohn der Toten. Er sagt zum Vorgehen der Polizei: «Wenn eine Fachperson sagt, man solle diesen Zugriff nicht machen, dann ist er nicht gerechtfertigt und bedeutet, man hat bewusst in Kauf genommen, dass es einen Suizid gibt.»

Auch der konkrete Ablauf des Zugriffs wirft Fragen auf. So berief sich Ackermann an der Pressekonferenz auf zwei Schüsse, die im Treppenhaus zu hören gewesen seien. Nach dem Aufbrechen der Wohnungstür habe man Ursula R. und ihr Büsi im Bad entdeckt – beide tot. Das ist wohl nicht die ganze Wahrheit. Die Akten besagen, dass schon vor den Schüssen die Tür aufgebrochen worden war und ein Interven­tionshund zweimal vergeblich in der Wohnung nach dem Hasch-Mami gesucht hatte.

Offenbar sorgte sich Achermann gegen Ende um die Sicherheit von Einsatzkräften und Anwohnern. Konkret benannte er «einen Schuss der Frau aus dem Fenster» – der allerdings schon am Vortag passiert sein soll. Anwalt Gysler: «Wenn man 19 Stunden nach einem eventuellen Schuss noch von einer Gefährdung spricht, ist das eine Schutzbehauptung.»

Gleicher Meinung ist Rechtspsychologe Dietmar Heubrock: «Dieser Einsatz wurde ganz unprofessionell abgewickelt. Das findet sein Ende in der Pressekonferenz, in der offenbar nicht die Wahrheit dargestellt worden ist.» Der Polizeikommandant und sein Kripo-Chef nahmen mit Verweis auf das laufende Verfahren keine Stellung zu den «Rundschau»-Recherchen.

* Namen der Redaktion bekannt

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