Seit mehr als drei Wochen sitzt Leandro F. (16) in Untersuchungshaft. In einem Jugendgefängnis, abgeschirmt von der Aussenwelt und seiner Familie. Erst ein Mal durften ihn seine Eltern besuchen.
In der Zelle wird Leandro von einem Psychologen betreut. Er hat viel Zeit, darüber nachzudenken, was am 7. Juni im Haus seiner Eltern in Elgg ZH passiert ist.
Die Jugendanwaltschaft verdächtigt ihn, an jenem Freitag seinen Bruder Demian getötet zu haben. Die Mutter fand die Leiche ihres ältesten Sohns († 22) im Treppenhaus.
Doch Leandro hat die Tat immer noch nicht gestanden.
Sich mit dem Hammer gewehrt
SonntagsBlick weiss aus dem Umfeld der Familie: Leandro beteuert seine Unschuld. In den Verhören sagte er: Es war Notwehr!
Im Streit soll der ältere Demian auf seinen kleinen Bruder losgegangen sein. Es heisst, Leandro habe sich mit einem Hammer gewehrt, dem Bruder damit auf den Kopf geschlagen.
Diese Version erklärt auch, weshalb Leandro schon seit Wochen in Haft ist – ungewöhnlich lange für einen jugendlichen Verdächtigen (siehe Textkasten).
Weiterhin versuchen Polizei und Jugendanwaltschaft zu rekonstruieren, was in dem grossen Haus in Elgg genau geschah. Wie es dazu kam, dass Demian tot im Treppenhaus lag. Zeugen gibt es keine, nur die Aussage von Leandro.
«Vorfall ist grosse Belastung»
«Die Ermittlungen laufen immer noch auf Hochtouren und wir untersuchen jeden denkbaren Tathergang», sagt der zuständige Jugendanwalt Beat Fritsche.
Leandros Kameraden in der Sekundarschule Elgg hoffen, dass sich die Notwehrversion bestätigt. Dann würde Leandro freigesprochen und könnte schon bald wieder bei ihnen sein.
«Der Vorfall ist für die Schüler eine grosse Belastung», sagt Schulleiterin Louise Kobierski (53). «Wir alle wünschen uns, dass Leandro, falls er es gewesen sein sollte, tatsächlich aus Notwehr so reagiert hat.»
Hoffnung macht ihr die Biografie des Schülers. «Leandro ist ausgesprochen friedfertig und pflegeleicht. Es wäre schwer zu erklären und kaum zu verstehen, wenn es etwas anderes als Notwehr gewesen wäre», so Kobierski.
Briefe ins Gefängnis
Unter den Schülern herrsche grosse Solidarität mit Leandro, sagt die Schulleiterin. Einige Kameraden haben ihm Briefe ins Gefängnis geschrieben. «Sie wollen ihm so helfen», sagt Kobierski.
Die Jugendanwaltschaft kontrolliert jeden Brief und gibt ihn dann an Leandro weiter. «Eine Antwort ist bisher nicht gekommen», sagt die Rektorin. Denn auch die Briefe, welche Leandro schreibt, werden kontrolliert.
Die Schulleiterin bittet ihre Schüler jeden Morgen um Geduld, bis weitere Fakten vorliegen. Denn sie weiss: «Erst dann kann für die Schüler die eigentliche Verarbeitung beginnen.»
Darauf sei die Schule vorbereitet. Sie wird Leandros Kameraden auch nach Schulschluss in zwei Wochen beistehen. Louise Kobierski: «Die Schüler können die Schulsozialarbeit und die psychologischen Fachleute auch nach ihrer Schulzeit in Anspruch nehmen.»
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Wie lange kann ein Minderjähriger in Untersuchungshaft gehalten werden?
Ein Mal wurde die U-Haft von Leandro F. (16) bereits verlängert. Eine Obergrenze für den Aufenthalt in Untersuchungshaft gibt es auch für Jugendliche nicht. Allerdings: «Unsere Erfahrungen zeigen, dass Untersuchungshaft bei Jugendlichen selten länger als zwei bis drei Wochen dauert», sagt Beat Fritsche, Leiter der Jugendanwaltschaft Winterthur. «Es gibt aber auch Ausnahmen.»
Wozu dient die U-Haft?
Während der Tatverdächtige in Untersuchungshaft sitzt, sammeln Polizei und Jugendanwaltschaft Beweise. «Untersuchungshaft ist kein vorzeitiger Strafvollzug, sondern dient einzig der Beweissicherung im Verfahren», erklärt Beat Fritsche. Wichtig dabei ist, dass sich der Tatverdächtige nicht mit anderen absprechen kann. Deshalb darf Leandro seine Eltern nur unter Aufsicht sehen.
Welche Strafe droht Leandro?
War der Angeklagte zum Zeitpunkt der Tat 15 Jahre alt, droht ihm maximal ein Jahr Freiheitsentzug. War er 16 oder älter, kann er mit bis zu vier Jahren Haft bestraft werden. Im Anschluss an die Haft können Massnahmen angeordnet werden. Die milden Strafen für jugendliche Täter werden oft kritisiert. Etwa im Fall von Michael R. (17), der 2008 in Muotathal SZ Stiefmutter (†39) und Stiefbruder (†13) ermordete und verurteilt wurde. Ins Gefängnis musste er aber nicht. Sollte sich im Fall Elgg die Notwehrversion bestätigen, kann Leandro mit Freispruch rechnen.
Wie oft töten Minderjährige?
Zwischen 1999 und 2012 registrierten die Behörden 118 Fälle. Die entsprechenden Urteile lauteten auf Mord (in 17 Fällen), vorsätzliche Tötung (48), Totschlag (1), Tötung auf Verlangen (1), Kindstötung (1) oder fahrlässige Tötung (50).
(Leo Ferraro)
Wie lange kann ein Minderjähriger in Untersuchungshaft gehalten werden?
Ein Mal wurde die U-Haft von Leandro F. (16) bereits verlängert. Eine Obergrenze für den Aufenthalt in Untersuchungshaft gibt es auch für Jugendliche nicht. Allerdings: «Unsere Erfahrungen zeigen, dass Untersuchungshaft bei Jugendlichen selten länger als zwei bis drei Wochen dauert», sagt Beat Fritsche, Leiter der Jugendanwaltschaft Winterthur. «Es gibt aber auch Ausnahmen.»
Wozu dient die U-Haft?
Während der Tatverdächtige in Untersuchungshaft sitzt, sammeln Polizei und Jugendanwaltschaft Beweise. «Untersuchungshaft ist kein vorzeitiger Strafvollzug, sondern dient einzig der Beweissicherung im Verfahren», erklärt Beat Fritsche. Wichtig dabei ist, dass sich der Tatverdächtige nicht mit anderen absprechen kann. Deshalb darf Leandro seine Eltern nur unter Aufsicht sehen.
Welche Strafe droht Leandro?
War der Angeklagte zum Zeitpunkt der Tat 15 Jahre alt, droht ihm maximal ein Jahr Freiheitsentzug. War er 16 oder älter, kann er mit bis zu vier Jahren Haft bestraft werden. Im Anschluss an die Haft können Massnahmen angeordnet werden. Die milden Strafen für jugendliche Täter werden oft kritisiert. Etwa im Fall von Michael R. (17), der 2008 in Muotathal SZ Stiefmutter (†39) und Stiefbruder (†13) ermordete und verurteilt wurde. Ins Gefängnis musste er aber nicht. Sollte sich im Fall Elgg die Notwehrversion bestätigen, kann Leandro mit Freispruch rechnen.
Wie oft töten Minderjährige?
Zwischen 1999 und 2012 registrierten die Behörden 118 Fälle. Die entsprechenden Urteile lauteten auf Mord (in 17 Fällen), vorsätzliche Tötung (48), Totschlag (1), Tötung auf Verlangen (1), Kindstötung (1) oder fahrlässige Tötung (50).
(Leo Ferraro)