Das BAG steht vor einem Fiasko
Kein Schwein lässt sich impfen

Bevölkerung und Politiker streiken: Kaum jemand will zur Schweinegrippe-Impfung! Das BAG steuert auf ein Desaster zu. Schuld daran ist vor allem das BAG.
Publiziert: 31.10.2009 um 23:18 Uhr
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Aktualisiert: 01.10.2018 um 02:20 Uhr
Von Lorenz Honegger und Beat Kraushaar

Beim Lesen dieser Zahlen dürfte Thomas Zeltner (61) leer schlucken: 86,4 Prozent der Schweizer Bevölkerung ignorieren seinen Rat als Chef des Bundesamts für Gesundheit (BAG). Sie wollen sich nicht gegen die Schweinegrippe impfen lassen!

Dieses eindeutige Resultat ergab eine repräsentative Umfrage von SonntagsBlick und «il caffè». Nicht weniger unwillig zeigen sich die Politiker: In einer grossen SonntagsBlick-Erhebung gaben 71,6 Prozent von 116 National- und Ständeräten an, die drohende H1N1-Pandemie ohne Impfschutz aussitzen zu wollen.

Ist das BAG an diesem Impf-Fiasko selbst schuld – weil es zu früh und zu heftig auf den Panik-Knopf drückte?

Das schlechte Ergebnis mag Da-niel Koch, den BAG-Leiter für übertragbare Krankheiten, «nicht erstaunen». Die Bevölkerung könne sich nicht vorstellen, wie sich eine Pandemie anfühle. Noch nicht. Erfunden habe das BAG diese nicht. «Die Grippe kommt so sicher wie das Amen in der Kirche», sagt Koch.

Kritik an der millionenteuren Infokampagne seiner Behörde weist er von sich: «Es ist keine leichte Aufgabe, die Balance zwischen Verharmlosung und Panikmache zu wahren.»

Eine Relativierung, die SP-Nationalrätin Simonetta Sommaruga (49) so nicht akzeptiert. «Die ersten Informationen über eine bevorstehende Schweinegrippe-Epidemie waren drastisch und undifferenziert», kritisiert die Konsumentenschützerin. «Das BAG wollte den Eindruck erwecken, dass man alles im Griff hat.» Besser wäre gewesen, das BAG hätte offen über die Unsicherheiten gesprochen.

Chaotisch, unklar und vage scheint zurzeit noch beinahe alles: Erst am Freitag gab die Arzneimittelbehörde Swissmedic zwei H1N1-Impfstoffe frei. Beide enthalten einen Wirkverstärker (Adjuvans), dessen Sicherheit besonders in Deutschland umstritten ist. Ein Impfstoff ohne Adjuvans ist in der Schweiz nicht zugelassen.

Zudem kommt die Massenimpfung spät, vielleicht zu spät: Der erste Schweizer Nadelstich erfolgt Mitte November – Wochen oder sogar Monate später, als Länder wie Deutschland, Frankreich, China und Australien ihre Impfkampagnen gestartet haben. Geimpft werden vorderhand Risikogruppen: Schwangere, chronisch Kranke, das Gesundheitspersonal – erst im Dezember kommt der Rest der Bevölkerung an die Reihe. Verlorene Zeit, in der sich zig Tausende Schweizer zusätzlich mit dem Virus anstecken werden.

Mit insgesamt 13 Millionen Dosen hat das BAG viel zu viel Impfstoff bestellt. Die Schweiz sei in einer «privilegierten Lage», schlussfolgerte BAG-Chef Thomas Zeltner feierlich. Fakt ist: Aktuell ist nur ein Bruchteil davon verfügbar, 240000 Dosen des Novartis-Impfstoffs «Focetria» und 600000 «Pandremix»-Dosen des Herstellers GlaxoSmithKline (GSK).

«Wir haben bis Mitte November nicht genügend Impfstoff», räumt Daniel Koch ein. GSK habe aber versprochen, wöchentlich nachzuliefern. «Ganz wichtig ist, dass sich die Risikopatienten impfen lassen», so Koch. Wie das gehen soll, ist schleierhaft: Die Risikogruppen in der Schweiz umfassen allein zwei Millionen Menschen.

Impfen? – Nein danke!
Das sollte Thomas Zeltner zu denken geben – die Schweizer schalten punkto Schweinegrippe-Impfung auf stur. Nach zahlreichen, einander teilweise widersprechenden Informationsoffensiven des von Zeltner geleiteten Bundesamts für Gesundheit wollen sich nicht einmal 10 Prozent impfen lassen. 86,4 Prozent der Befragten sagen Nein, der kleine Rest weiss es noch nicht. Die Werte liegen noch tiefer als bei der saisonalen Grippe: Hier beträgt die Zustimmungsquote 16 Prozent. Zum Vergleich: Vor Reisen in ferne Länder sind 42,2 Prozent bereit, sich piksen zu lassen.
Das sollte Thomas Zeltner zu denken geben – die Schweizer schalten punkto Schweinegrippe-Impfung auf stur. Nach zahlreichen, einander teilweise widersprechenden Informationsoffensiven des von Zeltner geleiteten Bundesamts für Gesundheit wollen sich nicht einmal 10 Prozent impfen lassen. 86,4 Prozent der Befragten sagen Nein, der kleine Rest weiss es noch nicht. Die Werte liegen noch tiefer als bei der saisonalen Grippe: Hier beträgt die Zustimmungsquote 16 Prozent. Zum Vergleich: Vor Reisen in ferne Länder sind 42,2 Prozent bereit, sich piksen zu lassen.
48 Tote in der Ukraine
In der Ukraine hat die Schweinegrippe bis jetzt 48 Tote gefordert. Die Epidemie breite sich mit rasendem Tempo aus, sagte Präsident Viktor Juschtschenko gestern. Laut der Weltgesundheitsorganisation WHO erkrankten bisher mehr als 440000 Menschen an der Schweinegrippe. Über 5700 starben.
In der Ukraine hat die Schweinegrippe bis jetzt 48 Tote gefordert. Die Epidemie breite sich mit rasendem Tempo aus, sagte Präsident Viktor Juschtschenko gestern. Laut der Weltgesundheitsorganisation WHO erkrankten bisher mehr als 440000 Menschen an der Schweinegrippe. Über 5700 starben.
Haben Sie Angst vor der Schweinegrippe?
Es ist unbestritten: Die Schweinegrippe grassiert. Doch grosse Angst vor einer Infektion hat kaum jemand, etwas Angst nur eine kleine Minderheit. Überhaupt nicht beeindruckt von der Pandemie zeigt sich jedoch die überwiegende Mehrheit der Befragten.
Es ist unbestritten: Die Schweinegrippe grassiert. Doch grosse Angst vor einer Infektion hat kaum jemand, etwas Angst nur eine kleine Minderheit. Überhaupt nicht beeindruckt von der Pandemie zeigt sich jedoch die überwiegende Mehrheit der Befragten.
Wie beurteilen Sie die Information der Behörden?
Die Schweizer stellen ihren amtlichen Gesundheitsschützern kein gutes Zeugnis aus. Fast 60 Prozent glauben, die Behörden hätten ihre Warnungen übertrieben – also Panik geschürt. Vor allem Männer (23,5 %) sind der Meinung, das BAG habe «weit übertrieben».
Die Schweizer stellen ihren amtlichen Gesundheitsschützern kein gutes Zeugnis aus. Fast 60 Prozent glauben, die Behörden hätten ihre Warnungen übertrieben – also Panik geschürt. Vor allem Männer (23,5 %) sind der Meinung, das BAG habe «weit übertrieben».
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